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ISSN 0007-6201 Burgen und Schlösser 66. Jahrgang, Heft 3/2025 Inhalt Vorwort Felix Biermann 130 Beiträge Felix Biermann und Normen Posselt Stegen – Archäologie und Geschichte einer Burg des 14. Jahrhunderts in Stormarn 131 Jens Tronicke und Erika Lück Stegen – Geophysikalische Untersuchungen im Vorfeld der archäologischen Ausgrabung 169 Günther Bock Stegen – Burg, Niederadelssitz und Grundherrschaft am Beginn der Krise des Spätmittelalters Ausstellungen Burg, Schloss, Fränkische Krone. 800 Jahre Veste Coburg Cornelia Oelwein WIRKSAM – Frauennetzwerke der Hohenzollern im Spätmittelalter Rezension Foreword Stegen, schematischer Plan der Burg mit den wichtigsten Befunden (Grafik: Felix Biermann). Exemplarisches Resultat einer Georadarprofilmessung im nördlichen Teil des Messgebiets (Grafik: Jens Tronicke/Erika Lück). 173 185 187 189 191 Titelbild: Burg Stegen, Luftaufnahme (Foto: Olaf Christiansen). Eintrag der Einkünfte des Hamburger Domkapitels aus dem für Stegen zuständigen Kirchspiel Sülfeld und aus den Nachbarkirchspiel Bargteheide, pauschale Ansprüche umreißend (Staatsarchiv Hamburg, Bestand Dom 512-1, Liber copialis capituli, fol. 168v).
Vorwort Dieses Heft stellt die archäologischen Forschungen auf der Burg Stegen bei Bargfeld-Stegen in Stormarn (Schleswig-Holstein) in den Mittelpunkt, und zwar mit drei Beiträgen: Normen Posselt und der Verfas- ser dieser Zeilen analysieren die 2019 durchgeführ- ten Ausgrabungen im Rahmen der reichen histori- schen Überlieferung. Jens Tronicke und Erika Lück legen die Ergebnisse der geophysikalischen Unter- suchungen vor. Günther Bock ordnet die Burg und ihren schriftlich erwähnten Herrn, den Knappen Johann Hummersbutle (Hummersbüttel), in den lan- desgeschichtlichen Kontext des von dramatischen Entwicklungen geprägten 14. Jahrhunderts ein. Die drei Beiträge bilden die Hauptveröffentlichung der Untersuchungen in Stegen, über die bisher nur Vor- berichte erschienen sind. Daher umfassen sie auch die Dokumentation der Ausgrabungen in Form von Befundkatalogen, Listen sowie zahlreichen Fotos, Plänen und anderweitigen Zeichnungen. Die Fokussierung eines Heftes der „Burgen und Schlösser“ auf lediglich einen Ort kommt nicht allzu häufig vor. Es rechtfertigt sich hier aber durch die archäologische, geschichtliche und burgenkundli- che Relevanz Stegens und seiner Erforschung. Zu- nächst handelt es sich um eine „Motte“, also eine auf künstlicher Aufschüttung basierende Befesti- gung, wie sie im europäischen Burgenbau des Mit- telalters von größter Bedeutung war. Obgleich es viele tausend Anlagen dieser Art gab, stehen sie heute doch im Schatten anderer Burgentypen, die mit hochragenden Steinmauern und -türmen beein- drucken. Das Potenzial der oft eher unscheinbaren Mottenhügel erschließt sich hingegen erst durch die archäologische Erforschung. Diese wirft in Stegen ein instruktives Licht auf eine Befestigungsvari- ante, die vom 11./12. bis ins 14./15. Jahrhundert das Bild der mittelalterlichen Niederadelsburg be- stimmte. Dabei haben wir es bei Stegen allerdings mit einer durchaus ungewöhnlichen Wehranlage zu tun, denn sie verfügt über fünf künstliche oder künstlich ausgearbeitete Hügel auf einer enormen Gesamtfläche von 190 x 120 m. Die Burg ist insbesondere aufgrund ihrer span- nenden Geschichte bemerkenswert: Johann Hum- mersbutle war ein exponierter Akteur in einer von Konflikten zwischen den Landesherren und dem niederen Adel geprägten Epoche. Er diente zeitweise den Herrschern der Region, den Grafen von Holstein, zeitweise lag er mit diesen in Streit. Er unterhielt gute Beziehungen zum dänischen Kö- nig, legte sich mit der nahen Hansestadt Hamburg an und vermochte die divergierenden Interessen von Stormarns Niederadel in einem „Fehdeclan“ zu bündeln. Es wäre sicher verkürzt, diese schil- lernde, schriftlich nur schlaglichtartig beleuchte- te Persönlichkeit als „Raubritter“ zu bezeichnen, wozu es zuweilen gekommen ist. Jedenfalls setz- te er mit seiner stattlichen, von einem mächtigen Backsteinturm geprägten Burg ein Zeichen großen Selbstbewusstseins, das seine Kontrahenten pro- vozieren musste. 1347 eskalierte alles in einer gro- ßen Belagerung durch die Stadt Hamburg und die Holsteiner Grafen. Obgleich seine Burg standhielt, musste der Knappe das Land hernach verlassen; die Veste wurde geschleift. Die archäologischen Funde belegen das in der jüngeren historischen Wissen- schaft verschiedentlich in Zweifel gezogene Gewalt- ereignis mit Zerstörungsschichten und zahlreichen Armbrustprojektilen, ferner mit zwei vermutlichen Belagerungsschanzen. Das hat allgemeine Relevanz hinsichtlich der Deutung einer Burg als Machtsym- bol, als Wehrbau und als Instrument im kriegerisch untermauerten Kräftespiel, für die Einschätzung der Zuverlässigkeit historischer Überlieferung, zur Konflikt- und Herrschaftsgeschichte des späten Mittelalters. Das Forschungsprojekt in Stegen veranschaulicht in seiner Kombination aus geophysikalischer Untersu- chung, kleineren Ausgrabungen, historischer Ana- lyse und Metalldetektorsurveys, wie mit begrenzten Ressourcen und denkmalschonender Herangehens- weise facettenreiche Ergebnisse gewonnen werden können. Das gilt gerade für die letztgenannte Praxis: Bei zwei Ausgrabungen auf der Burg in den Jahren 1986 und 1994, bei denen das Metallsuchgerät noch nicht zum Einsatz gekommen war, gab es keinerlei nennenswerte Metallfunde. Erst die mit intensiven Detektorbegehungen verknüpften Maßnahmen von 2019 lieferten diese dann massenhaft, darunter nicht weniger als 90 Armbrustbolzenspitzen. Hierin wird ein großer methodischer Fortschritt prägnant sichtbar. Es ist erfreulich, dass sich die (meist eh- renamtliche) Mitarbeit von Detektorgängern in der archäologischen Burgenforschung inzwischen fest etabliert hat. Diese Schrift legt ihren Schwerpunkt nicht nur auf einen in der Forschung eher vernachlässigten Burgentyp, sondern mit Stormarn auch auf eine Region, die kaum als klassische Burgenlandschaft gelten kann. Nachdem bereits ein unlängst abge- schlossenes Forschungsprojekt der Universität Kiel dieselbe historisch neu bewertet hat, bietet dieses Heft dazu einen aktuellen archäologischen Beitrag. Übrigens wurde die Burgstätte mittlerweile attraktiv gestaltet und lädt mit ihrer reizvollen Lage am Zusammenfluss von Alter Alster und Alster zu Ausflügen ein. Autoren und Redaktion wünschen eine interessante Lektüre! Felix Biermann 130 Burgen und Schlösser 3/2025
Felix Biermann und Normen Posselt Stegen – Archäologie und Geschichte einer Burg des 14. Jahrhunderts in Stormarn 1. Einleitung Die Burg Stegen bei Bargfeld-Stegen im Kreis Stormarn, wenig nördlich von Hamburgs Stadt- grenzen (Abb. 1), gehört zu den eindrucksvollsten spätmittelalterlichen Turmhügelbefestigungen in Schleswig-Holstein, denn sie verfügt über nicht weniger als vier Hügel. Sie ist zugleich von großer landesgeschichtlicher Relevanz, da sie während des 14. Jahrhunderts mehrfach in schriftlichen Quellen erscheint, und zwar als Sitz des ehrgeizi- gen Niederadeligen Johann Hummersbutle (Hum- mersbüttel), der zeitweise große Macht gewinnen und eine wichtige politische Rolle zwischen den bedeutenden Städten und Fürsten der Region zu spielen vermochte. In diesem Zuge kam es 1347 zu einem Kampf um die Burg. Daher fand dieser Ort immer ein hervorgehobenes landesgeschichtliches und auch archäologisches Interesse.1 Die durchaus imposanten, idyllisch gelegenen Ge- länderelikte und die historische Bedeutung der Burg, die im 16. Jahrhundert als „Hohenstegen“ Erwähnung findet,2 regten (mittlerweile verwirk- lichte) Planungen der Gemeinde Bargfeld-Stegen zur kultur- und naturtouristischen Aufwertung Abb. 1. Lage von Stegen in Schleswig-Holstein (Kar- tierung: Normen Posselt). Abb. 2. Stegen, Ansicht der Burg aus nordwestlicher Vogelperspektive wäh- rend der Ausgrabungen von 2019, vorn rechts die Hauptburg mit dem rekonstruierten Turmgrund- riss, links die Vorburg (Foto: Hendrik Alberts). Burgen und Schlösser 3/2025 131
Felix Biermann und Normen Posselt Abb. 3. Stegen, Lage, Messtischblatt (verändert nach Kühl, Burg [wie Anm. 4], S. 239, Abb. 1). Abb. 4. Digitales Gelände- modell der Burg Stegen und ihrer Umgebung (DGM1, LVermGeo S-H, Bearbeitung, ALSH). des Denkmals an. In diesem Zusammenhang ver- anlasste das Archäologische Landesamt Schleswig- Holstein (ALSH) archäologische Forschungen, die die Geschichte und Gestalt der Burg aufhellen und so Grundlagen für eine Gestaltung der historischen Stätte schaffen sollten. Die Untersuchungen fanden als Kooperationsprojekt der Universitäten Greifs- wald und Potsdam sowie des ALSH im Herbst 2019 statt und bestanden aus geophysikalischen Unter- suchungen, Metalldetektorprospektionen, archäo- logischen Ausgrabungen und historischen Studien (Abb. 2). Darüber wird hier berichtet, wobei die Vorlage der archäologischen Befunde und Funde durch Darstellungen zur Geophysik (Jens Tronicke/ Erika Lück) und zum geschichtlichen Kontext (Gün- ther Bock) ergänzt wird. Hinsichtlich des letzteren 132 Burgen und Schlösser 3/2025 gibt es einige unterschiedliche Einschätzungen, die hier zur Diskussion gestellt werden. 2. Lage und Gestalt der Befestigung Etwa 500 m nordöstlich von Gut Stegen und 2,8 km westlich des Ortskerns von Bargfeld liegt die Burg (Abb. 3).3 Sie befindet sich am Zusammenfluss der Alten Alster mit der nach Südwesten auf Hamburg zustrebenden Alster, was natürlichen Schutz in der feuchten Niederung gewährte und Kontrolle über Wasserwege ermöglichte. Zudem gab es hier bei- derseits der Alten Alster flache Erhebungen, die die Grundlage für die Burg abgaben (Abb. 4, 5). Ihr Zentrum ist ein lang-rechteckiger Hügel von ca. 44 × 27 m Fläche im Westen, der als „Hauptburg“ bezeichnet wird und tatsächlich auch den Haupt- turm trug (Abb. 5.1); dessen Fundamente sind im Ergebnis von jüngeren Ausgrabungen heute mit einem Feldsteinrechteck markiert. Östlich eines 15 m breiten Grabens liegt ein Nord-Süd-orientier- ter, langrechteckiger Hügel von gut 45 m Länge und 30 m Breite, die „Vorburg“ (Abb. 5.2). Nordöstlich derselben und nördlich der Alten Alster befindet sich ein weiterer, eher ovaler Hügel von etwa 55 × 40 m Fläche, bezeichnet als „Garten“ (Abb. 5.3), und östlich der Vorburg liegt der sog. „Turmhügel“ (ca. 55 × 30 m Fläche) (Abb. 5.4).4 Letzterer ist heute durch eine Sandgrube in zwei Teile zerschnitten. Auch der Ostteil der Vorburg ist durch eine solche Eingrabung gestört. Die Hügel sind 1,5–2 m hoch und jeweils von Gräben, die ganze Anlage zudem von einem Wall-Grabenring eingefasst, der partiell bis heute erkennbar ist (Abb. 5.8), 1856 als „mit Wall und Burggräben umgebene[r] Burgplatz der alten Veste Stegen“ Erwähnung findet und 1870 noch gut erhalten war.5 Östlich von Garten und Turmhügel umfasst ein gerundet-rechteckiger Wall zudem ein etwa 90 × 60 m großes Terrain, das aufgrund sei- ner Lage in der sumpfigen Niederung offensichtlich nicht Siedlungszwecken diente (Abb. 5.5); eher kann man an eine Deichanlage zur Aufstauung der Burg- gräben denken, und zwar zur Begrenzung des Rück- staus, denn die Alte Alster fließt von Ost nach West. Von Süden her zog ein Damm zur Burg (Abb. 5.9), der im Gelände heute kaum mehr, im digitalen Gelände- modell aber wahrnehmbar ist und die historische Zuwegung darstellen könnte. Das Areal ist durch die Rinne des Alster-Trave-Kanals gestört: Dieser wurde 1448 als Verbindung zwischen Hamburg und Lübeck begonnen und 1452 wegen technischer und finanzieller Probleme eingestellt; genauso erwies sich der zweite Versuch zwischen 1526 und 1550 als nur wenige Jahre tragfähig.6 Die insgesamt etwa 190 × 120 m Fläche einnehmen- de Burg ist nicht nur groß, sondern besitzt mit ihren vier flachen, gleichrangig nebeneinander verteilten Hügeln auch eine ungewöhnliche Struktur: die übli- che Hierarchie aus Hauptburg und Vorburg(en) ist
Stegen – Archäologie und Geschichte einer Burg des 14. Jahrhunderts in Stormarn nicht ohne weiteres erkennbar. Mehrgliedrige Turm- hügelburgen sind in Holstein ansonsten durchaus bekannt, wenngleich nur selten in den Ausmaßen von Stegen. Erwähnt seien hier die Burgen Linau im Herzogtum Lauenburg und Nienschlag bei Grebin- Schönweide als große, mehrteilige Motten, der mit einer ungewöhnlich ausgedehnten Vorbefestigung versehene Turmhügel von Arnesvelde in Stormarn und die aus möglicherweise sieben Hügeln beste- hende, über 200 × 150 m Fläche verteilte, allerdings bislang nicht überschaubare Mottenbefestigung von Plunkau bei Altenkrempe.7 3. Die Geschichte der Burg und ihr Ende in der Belagerung von 1347 Stormarn gehörte im späten Mittelalter zum Ge- biet der Grafen von Holstein – auch von Holstein und Stormarn – aus dem Hause Schauenburg, die in mehrere Linien aufgegliedert waren. Die Kraft der Landesherrschaft schwankte im Laufe der Jahr- zehnte. In die Belange der Region griffen auch die benachbarten Metropolen Hamburg und Lübeck sowie Dänemarks König ein. Diese Bedingungen boten dem lokalen Niederadel gerade im 14. Jahr- hundert Entfaltungsmöglichkeiten.8 Folgen wir Jan Habermann, dann bildeten die Geschlechter damals regelrechte Fehdeclans, in denen sie ihre Kräfte bündelten und gewaltsam sogar gegen mächtige Städte vorgingen.9 Als geschickter Akteur und Pro- tagonist eines selbstbewussten Niederadels ragt der Knappe Johann (Henneke) Hummersbutle hervor, der eng mit Stegen verbunden ist. Stegen – der Ortsname nimmt wohl auf eine Brücke Bezug10 – wird 1302 erstmals erwähnt, und zwar in einer dort ausgestellten Urkunde Graf Adolfs V. von Holstein und Stormarn († 1308) für den Rit- ter Hinrich von Wedel. Ob es damals dort schon einen adeligen Wohnsitz gab, bleibt offen.11 1304 trat mit Dietrich von Hagen oder Stegen (Thyderi- cus de Indagine sive Stegis) ein Niederadeliger auf, der sich nach Stegen nannte – ein Indiz für einen nun existierenden Adelssitz.12 Zwischen 1304 und 1329 gelangte Stegen in den Besitz Johann Hum- mersbutles, wohl durch Heirat mit einer Tochter Abb. 5. Stegen, digitales Geländemodell der Burg und ihrer Umgebung mit den Flüssen Alster (links) und Alte Alster (rechts), den Hügeln der Burg mit ihren heute üblichen Namen sowie den vermutlichen Belage- rungsschanzen. 1 „Hauptburg“, 2 „Vorburg“, 3 „Garten“, 4 „Turmhügel“, 5 Staudämme, 6 südliche Belagerungsschanze, 7 nörd- liche Belagerungsschanze, 8 Umfassungswall, 9 Damm (LVermGeo S-H, Bearbei- tung: Normen Posselt). Abb. 6. Stegen, digitales Geländemodell der Burg mit den Grabungsschnitten von 1986 und 1994 (grau), dem Grundriss des Hauptturms (weiß gestrichelt) sowie den Schnitten von 2019 (schwarz): Schnitte 1–3 auf der Vorburg, 4 zwischen Haupt- und Vorburg, 5 auf der Hauptburg, 6 am Turm- hügel und 7 auf dem Garten. Kartiert sind außerdem die Armbrustbolzenspitzen (gelbe Punkte) und die Lan- zenspitzen/Wallarmbrust- projektile (rote Quadrate) (LVermGeo S-H, Bearbei- tung: Normen Posselt). Burgen und Schlösser 3/2025 133
Felix Biermann und Normen Posselt Abb. 7. Stegen, Blick von der Hauptburg nach Osten über das Feldsteingeviert des Hauptturms (Markierung von 1994, rechts) zur Vor- burg (Foto: Felix Biermann). Abb. 8. Stegen, Ausgra- bungen auf der Vorburg (Foto: Felix Biermann). aus Wedelschem Hause.13 Ende 1329 residierte er auf der „curia sua in Steghen“ – die erste sichere Er- wähnung eines dortigen Herrensitzes. Damals gab es Streit zwischen dem Knappen und dem Hambur- ger Domkapitel, u. a. um von Johann einbehaltene Zehnten, weshalb er in Kirchenbann geraten war.14 Johann, der offenbar lebenslang Knappe blieb und nie Ritter wurde, agierte in Stormarn, in anderen gräflich holsteinischen Ländern und in Dänemark, besaß mithin einen bemerkenswerten Aktionsra- dius innerhalb des eng verflochtenen Herrschafts- netzwerkes des 14. Jahrhunderts im Südwesten der Ostsee. Lange scheint er geschickt zwischen den Holsteiner Grafen, dem dänischen König und nicht zuletzt auch den Städten Hamburg und Lübeck laviert zu haben. Er diente den Holsteiner Grafen u. a. als Segeberger Vogt und unterhielt enge Be- ziehungen zum Zisterzienserinnenkloster Reinbek, geriet aber auch wiederholt mit den Grafen und an- deren Mächten in Konflikt15 – ein selbstbewusster Niederadeliger, der die Hierarchien seiner Zeit in Frage stellte. Seinen sozialen Anspruch dokumen- tierte Johann in jener Zeit auch auf seiner Burg: 134 Burgen und Schlösser 3/2025 Zu 1341 berichtet der um 1385 schreibende Lü- becker Chronist Detmar († nach 1395) vom Bau eines Steinturms in Stegen.16 Dem in den 1550er Jahren wirkenden Hamburger Chronisten Adam Tratziger (1523–1584) zufolge hatte sich Johann die Zustimmung Hamburgs und Lübecks zu dieser Ertüchtigung seines zuvor nur schwach gesicherten Sitzes durch das Versprechen erschlichen, sie zur Festigung des Landfriedens und im Sinne der Städte zu verwenden, „aber der ausgang beweiset, wie er sollichen furschlag meinete.“17 In den 1340er Jahren mehrten sich die Konflikte zwischen dem ehrgeizigen Niederadelsgeschlecht und den mächtigeren Akteuren. 1342 kam es zu einer Klage gegen Johann Hummersbutles gleichna- migen Sohn wegen Straßenraubs zwischen Lübeck und Hamburg.18 In einem Schadensverzeichnis von 1343 warf das Hamburger Domkapitel dem Vater mannigfache Gewalttaten, Zehntzurückhaltungen (u. a. aus dem später wüsten Dorf Stegen) und un- rechtmäßige Abgabeerhebungen vor, vermutlich im Rahmen der sog. Hamburger Domkapitelsfeh- de.19 Das Register klagt weitere Niederadelige für ähnliche Taten an und gibt so Einblick in typische spätmittelalterliche Verhältnisse mit offensiv agie- renden kleinen Herren, denen Fehderecht, häufige Herrschaftskonflikte, ihr Stolz und ihre kriegeri- sche Kultur vielerlei Rechtfertigung und Anlass zu Gewalttaten gaben. 1346 mussten Johann Hum- mersbutle und seine Söhne Sühne leisten, weil sie den Landfrieden gebrochen hatten, insbesondere dem Grafen auch Öffnungsrecht für Burg Stegen gewähren.20 Am 24. August 1347 schlossen Graf Johann III. († 1359), die Grafen Heinrich II. (der Eiserne, † 1384) und Gerhard V. († 1350) sowie die Stadt Hamburg dann sogar ein Bündnis, das sich gegen Johann Hummersbutle, seinen Sohn sowie weitere Niederadelige der Region richtete;21 nach Detmar hatten sich letztere zuvor verschworen, während der dänische König Waldemar IV. Atter- dag († 1375) und andere Große der Region über Lübeck zur „Litauerreise“ aufgebrochen und dann möglicherweise sogar im Heiligen Land waren.22 Der Vertrag sah vor, die Burgen Wohldorf (im Nor- den Hamburgs, 7 km südlich Stegens) und Stegen sowie einen bei letzterem Orte über die Alster ge- zogenen Damm zu zerstören und den Wiederauf- bau dieser Anlagen dauerhaft zu verhindern. Ein königlicher Weg und die Alster sollten wieder so laufen wie zuvor, und man legte auch fest, dass Truppen und Geschütze aus Hamburg, sofern sie für die Belagerung nötig seien, von den Grafen in der Stadt abgeholt und später wieder dorthin zurückgebracht werden sollten. Auch die Errich- tung von Schlössern mit Bergfrieden (berchvreden [Türmen]) – möglicherweise Belagerungsburgen – wurde geplant und hinsichtlich Kosten und Mühen aufgeteilt. Nach vollbrachtem Werk, so gelobten die Grafen, wollten sie ein Befestigungsregal durchset- zen: Kein Niederadeliger sollte sich an der Alster
Stegen – Archäologie und Geschichte einer Burg des 14. Jahrhunderts in Stormarn mehr eine größere Befestigung bauen lassen als ei- nen schlichten Bergfried ohne Plankeneinfriedung und ohne Vorburg.23 Ob es tatsächlich zu dem Angriff kam, lässt die ur- kundliche Überlieferung offen. Lesemeister Detmar berichtet aber sowohl für 1346 als auch für 1347 von Angriffen auf Stegen. Zunächst sei „dat hus to den Steghen in Holstenlande“ 1346 gewonnen wor- den. Es ist ungewiss, ob es hier tatsächlich eine nur kurzfristig wirksame Eroberung im Zusammenhang mit der Durchsetzung des gräflichen Öffnungsrech- tes gab oder eine Vermischung mit den Ereignissen von 1347 vorliegt. Im letztgenannten Jahr kam es, so Detmar, zu einer großen Belagerung: „Darna stalden greve iohan van holsten und greve hinric van holsten unde de borgher van hamborch vor dat hus tuen Steg- hen, unde leghen dar vor mit groter macht.“ Man ver- mochte die Burg aber nicht zu erobern. Daraufhin sei König Waldemar, vom Kreuzzug zurückkehrend, eingeschritten, und zwar auf Seiten des Knappen. Er habe zunächst einen Entsatz Stegens versucht, dies aber aufgeben müssen und daraufhin eine Eini- gung vermittelt: Die Belagerung wurde aufgegeben, Hummersbutle erhielt 5.000 Mark Silber von Graf Heinrich, gab dafür seine Positionen in Stormarn auf und verließ mit seiner Familie das Land.24 Adam Tratziger stellt es, Detmar folgend, ähnlich dar. Zu den Vorgängen des Jahres 1347 berichtet er: „Die grafen zu Holstein waren obgemelten geschlechten vom adel, von denen sie befeidet wurden, etwas zu schwach, den sie hetten im lande zu Holstein zwo starke vesten, als: zun Stegen und Woltorp […]. Als en solliche plackerei die straßen ganz unsicher wurden, und die von Hamburg an demselbigen ihrer kauf- mannschaft halber so dardurch behindert wurden […], wurden sie entschloßen, sich mit den grafen zu verbinden und gemelte raubnester zerstoren zu hel- fen“. Es kam zum Vertrag und zur Belagerung. „Auch solten auf die stette, da die heuser zu den Stegen oder Woltorp gelegen, zu ewigen zeiten, einige veste nicht werden aufgebauwet […]. Folgends belegerten die grafen und die von Hamburg die veste zu den Stegen, welche Johan Hummersbuttel innen het. Als sich aber die belagerung verweilet, den die veste war stark, daß man sie ubel kunte beweltigen, un- ternam sich könig Woldemar zu denemark gutliches handels“ im besagten Sinne; „die veste aber wurd inhalts des aufgerichteten vertrages abgebrochen und geschleifet, und seind solliche zwei raubheu- ser […] nach der zeit nicht widerumb aufgebauwet worden.“25 Auf diese Angelegenheit nimmt auch ein in zwei Urkunden vom 22. Juli 1348 dokumentierter Ver- gleich Bezug, den Waldemar Atterdag mit den Grafen Nikolaus (1321–1397) und Heinrich dem Eisernen von Holstein im dänischen Nebbe schloss, in dem es hauptsächlich um die Auslösung großer an die Grafen verpfändeter Gebiete auf Fünen für 31000 Mark Silber ging. Zugleich wurden kleinere Pfandinhaber von Burgen und zugehörigen Gütern abgegolten und die komplizierte, teils auf Rückver- pfändung basierende Finanzierung des Geschäfts geregelt. Betroffen waren Burgen durchweg in Dä- nemark. Besondere Aufmerksamkeit erfährt aber die Burg Stegen, die die Grafen für 5000 Mark Sil- ber erhielten. Dafür wurde ihr bisheriger Besitzer, Johann Hummersbutle, mit derselben Summe ent- schädigt.26 Die in der Urkunde genannte Veste Stegen wird in der Forschung meist in Stormarn lokalisiert,27 doch gab es immer auch Stimmen, die sie mit der königlich dänischen Burg Stege auf der Insel Møn verbunden haben. In jüngster Zeit hat Günther Bock die dänische Lokalisierung wieder vehement vertreten,28 die allerdings gleichwohl anhand der Schriftüberlieferung nicht bewiesen werden kann. Der Sachverhalt, dass die Antagonisten des Waffen- bundes vom 24. August 1347 – Graf Heinrich der Abb. 9. Gesamtplan der Ausgrabungen von 1986 und 2019 mit den wichtigsten Befunden: Mauern und Ausbruchgruben (rot), Gräb- chen und Gruben (schwarz), Steinpackungen (beige) und Befestigungsgräben (blau). Die Schnittnummern sind gelb, wichtige Befundnum- mern weiß und in eckigen Klammern angegeben. Den Hintergrund bilden die Geo- magnetik und das digitale Geländemodell (Grafik: Felix Biermann, Normen Posselt). Burgen und Schlösser 3/2025 135
Felix Biermann und Normen Posselt Abb. 10. Stegen, Schnitt 1, Plana 1, 2, Nordprofil. M. 1:60 (Zeich- nung: Normen Posselt). 136 Burgen und Schlösser 3/2025
Stegen – Archäologie und Geschichte einer Burg des 14. Jahrhunderts in Stormarn Abb. 11. Stegen, Schnitt 1, Ost-, Süd- und West- profile, Schnitt 2, Plana 1, 2, Ostpro- fil. Legende wie Abb. 10. M. 1:60 (Zeichnung: Normen Posselt). Burgen und Schlösser 3/2025 137
Felix Biermann und Normen Posselt Abb. 12. Stegen, Schnitt 3, Plana 1–3. Legende wie Abb. 10. M. 1:60 (Zeich- nung: Normen Posselt). 138 Burgen und Schlösser 3/2025
Eiserne und Johann Hummersbutle – hier wieder um eine Burg Stegen streiten, dass die beiden den Augustvertrag bezeugenden Knappen Heinrich Glüsing und Detlev von Wensin ein knappes Jahr danach Stegen zugewiesen bekommen und dass der nicht einmal ein halbes Jahrhundert später schrei- bende, allgemein gut informierte Detmar beide Sachverhalte auf dieselbe, und zwar die Burg an der Alster bezieht, sprechen durchaus für eine Zu- ordnung auch der 1348 genannten Vorgänge nach Stormarn. Letztlich ist dieser Punkt aber auch mit archäologischen Methoden nicht abschließend zu klären. Die Söhne Johann Hummersbutles, Johann und Hartwig, hielten sich jedenfalls hernach in Däne- mark auf, wo ihnen Waldemar die Vogtei Ravnsborg auf Lolland übergeben hatte. Nach dem Tod des Grafen Johann III. im Jahre 1359 sind sie wieder nach Stormarn zurückgekehrt. Ihre Ansprüche an Ravnsborg traten sie noch im selben Jahr an König Waldemar ab.29 Wieder im Besitz von Stegen, ging auf sie offensichtlich das 500 m südlich der alten Burg gelegene Gut Stegen zurück. Im 16. Jahrhun- dert ist die Familie im Mannesstamm erloschen.30 Von der Burg Stegen hören wir nach dem mittleren 14. Jahrhundert nichts mehr, so dass sie im Zuge der beschriebenen Ereignisse zerstört und verwüstet worden sein dürfte, wie es der Vertrag verlangt hatte. 4. Archäologische Forschungen auf Burg Stegen 4.1 Forschungsgeschichte Die ersten größeren landesgeschichtlichen Betrach- tungen sowie archäologischen Beobachtungen auf der Burg Stegen wurden 1899 von Wilhelm Melhop (1856–1943) durchgeführt.31 Schon Ende des 19. Jahrhunderts gab es keine oberirdisch sichtbaren Mauerreste mehr, wie Melhop 1932 berichtet, aber „bis um die Mitte des 19. Jahrhunderts noch haben bedeutende Reste von Findlings- und Ziegelgemäu- er auf dem […] Burghügel gestanden. Die bis zu 2 m dicken Mauerstücke ragten damals noch etwa 1 ½ m über das Gelände hervor, und an der Westsei- te führte ein verfallener, bogenförmiger Gang in das verschüttete Turminnere. Während mehrerer Jahrzehnte bis in die achtziger Jahre sind aus dem Burghügel viele Ziegelsteine und rund 300 cbm Fel- sen abgefahren worden“. Der Turm „scheint etwa 14 m im Geviert groß gewesen zu sein […]. Minder starke, lückenhafte Grundmauerreste im Osten und Westen des Turms können vielleicht zu Anschluß- mauern von Vorhöfen gehört haben“.32 Der Anlass für eine erste moderne Ausgrabung des ALSH, die 1986 unter Leitung von Nis Hardt statt- fand, war bereits – wie ähnlich 2019 – der Wunsch des Kreises, die Burganlage für Naherholungszwe- cke nutzbar zu machen. Man konzentrierte sich auf Stegen – Archäologie und Geschichte einer Burg des 14. Jahrhunderts in Stormarn Abb. 13. Stegen, Schnitt 3, Nord-, Ost- und Westprofile. Legende wie Abb. 10. M. 1:60 (Zeichnung: Normen Posselt). die Hauptburg und zog mehrere Baggerschnitte von insgesamt 360 m² Fläche über das Hügelplateau, die zur Aufdeckung der Turmfundamente führten.33 Eine weitere Untersuchung erfolgte im Dezember 1994, die erneut dem Turm galt und die künstliche Aufschüttung sowie massive Schuttmassen am Gar- ten und am Turmhügel belegten. Der Ausgräber, Joachim Kühl, erwog in diesen östlichen Teilen der Burg eine erste Befestigung, die Haupt- und Vorburg zeitlich vorausgegangen sei. Das blieb aber offen, zumal das Fundmaterial – wie bereits 1986 – nur aus wenigen Keramikscherben bestand. Auch Jahr- ringdaten waren nicht zu gewinnen.34 Unsere Untersuchungen des Jahres 2019 hatten zum Ziel, die Baustrukturen, die Datierung, die Gestalt der Burg und ihren historischen Kontext aufzuhellen.35 Den archäologischen Ausgrabungen und Prospektionen vom 30.09.–12.10.2019 waren geophysikalische Untersuchungen der Universität Potsdam sowie ein Metalldetektorsurvey voraus- gegangen. Insgesamt sieben Grabungsschnitte er- forschten sämtliche Burghügel auf einer Gesamt- fläche von 241,85 m² (Abb. 5–8). Burgen und Schlösser 3/2025 139
Felix Biermann und Normen Posselt Abb. 14. Stegen, Schnitt 4, Planum 1, Südprofil. Legen- de wie Abb. 10. M. 1:60 (Zeichnung: Normen Posselt). 140 Burgen und Schlösser 3/2025
Stegen – Archäologie und Geschichte einer Burg des 14. Jahrhunderts in Stormarn Abb. 15. Stegen, Schnitt 5, Planum 1, Nordprofil. Legende wie Abb. 10. M. 1:60 (Zeichnung: Normen Posselt). Burgen und Schlösser 3/2025 141
Felix Biermann und Normen Posselt Abb. 16. Stegen, Schnitt 6/6a, Planum 1, Nordprofil. Schnitt 7, Plana 1 und 2, Südprofil. Legende wie Abb. 10. M. 1:60 (Zeich- nung: Normen Posselt). 4.2 Überblick zur Datierung und Gestalt der Burg Fundmaterial und drei 2019 gewonnene dendro- chronologische Daten zeigen, dass Burg Stegen um 1320 errichtet wurde (Abb. 9). Die Befunde und Funde der Untersuchungen an allen vier Hügeln ergaben auf der Hauptburg Hinweise auf nachfol- gende Ausbaumaßnahmen – der anfänglich hölzer- ne Hauptturm wurde wohl 1341 durch ein steiner- nes Bauwerk ersetzt, vage Indizien deuten einen anfänglich hölzernen, später massiv ausgebauten Bering an. Die drei Hügel im Süden wurden als Flachmotten über schwachen natürlichen Kuppen bis 1,1 m Höhe aufgeworfen, wobei das lehmige, teils auch torfige und ortsteinreiche Schüttmateri- al aus den Umfassungsgräben entnommen wurde. Der Garten, dessen Graben in der Geophysik und im Luftbild deutlicher erkennbar ist als im Gelän- de, erfuhr allenfalls schwache und wohl eher dem Ausgleich von Senken dienende Erhöhung. Um die Aufschüttungen im Bereich der stark strömenden Alten Alster zu stabilisieren, wurden aufwändige Böschungssicherungen aus Reihen dicht gesetzter, tief eingeschlagener Pfosten, aus längs laufenden Balken und Feldsteinpackungen angelegt. Ein ver- stürztes Holz aus dem Graben an der Böschungssi- cherung der Hauptburg ergab das Waldkantenda- tum 1319, ein weiteres im Graben das Datum um/ nach 1315.36 Auf der Hauptburg erhob sich der mächtige Recht- eckturm von 15,5 × 11,5 m Seitenlänge. Auf sei- nem Sockel aus Feldstein folgte das aufgehende Backsteinmauerwerk. Das als Turm II bezeichnete steinerne Fundament überlagerte eine aus Eichen- pfosten erschlossene Rechteckstruktur von 5,5 m × 7 m Seitenlänge, wohl der hölzerne Vorgängerbau 142 Burgen und Schlösser 3/2025
Stegen – Archäologie und Geschichte einer Burg des 14. Jahrhunderts in Stormarn Abb. 17. Stegen, Turm auf der Hauptburg, Ausgrabun- gen 1986 und 1994. Plan der Fundamentreste und Aus- bruchgruben von Turm 2 so- wie der Pfosten von Turm 1 (verändert nach Kühl, Burg [wie Anm. 4], S. 243, Abb. 4). (Turm I). Geomagnetische Untersuchungen und Ausgrabungen zeigten zudem, dass zumindest die Haupt- und die Vorburg kastellartig mit rechtecki- gen Umfassungsmauern umgeben waren. Auf den Burghügeln gab es größere freie Hof- areale. Am Nordrand der Hauptburg kündeten Schwellgräbchen und Pfosten – einer lieferte das Jahrringdatum um/nach 131437 – von einer höl- zernen Bebauung am Rande des Hofes. Fragmente von Formsteinen und glasierten Ziegeln sind ein Abglanz anspruchsvoller Architektur im Stil der Backsteingotik. Im nördlichen Zentrum der Vorburg wurde ein Trümmerhaufen als Rest eines kleineren Steinhauses angetroffen, das dem Erdboden gleich- gemacht und hernach „ausgeschlachtet“ worden war. Im Garten ergaben sich Hinweise auf ein ab- gebranntes Holz-Lehmgebäude. Die Burg muss mit ihren vier großen, inselartig von der Alten Alster umflossenen Erhebungen, mit dem gewaltigen Feld- und Backsteinturm, den kas- tellartig geschlossenen Ringmauern zumindest von Haupt- und Vorburg, mit gotischen Architekturele- menten sowie den rund um das ganze Ensemble geführten Wällen enorm eindrucksvoll gewesen sein. Sie war damit ein wirkmächtiges Symbol von Selbstbewusstsein und Herrschaft, insbesondere Abb. 18. Stegen, Schnitt 4 durch den Graben zwischen Haupt- und Vorburg mit der Ausbruchgrube der Haupt- burg-Umfassungsmauer (Bef. 27, vorn) sowie Schutt- massen in der Grabensenke, Ansicht von Nordwesten (Foto: Felix Biermann). Abb. 19. Stegen, Schnitt 4, Böschungssicherung der Hauptburg (Bef. 30), mit Pfosten und Steinpa- ckung, Ansicht von Osten (Foto: Felix Biermann). Burgen und Schlösser 3/2025 143
Felix Biermann und Normen Posselt Abb. 20. Stegen, Schnitt 5, Brandschutt und Füllschichten am Graben- ansatz der Hauptburg im Westen (Bef. 38, 46 u. a.), rechts Gräbchen Bef. 36, Planum von Südwesten (Foto: Felix Biermann). Abb. 21. Stegen, Schnitt 5, Wandgräbchen Bef. 34 in der Hauptburg, Ansicht von Sü- den (Foto: Felix Biermann). Abb. 22. Stegen, Schnitt 5, Pfostenpaar (Bef. 41, 42) in der Hauptburg (Foto: Felix Biermann). 144 Burgen und Schlösser 3/2025 aber auch ein wehrhafter militärischer Stützpunkt. Er ging in einer kriegerischen Auseinandersetzung unter, offenkundig der schriftlich überlieferten Be- lagerung von 1347 (Abb. 10–16). 4.3 Der Stegener Turm Bereits 1986 und 1994 konnten die Reste des noch bis ins mittlere 19. Jahrhundert als Stumpf aufragenden Hauptturms in der Südostecke des Hauptburghügels aufgedeckt werden, von dem in 1,2–1,5 m Tiefe Feldsteinfundamente und Aus- bruchgruben erhalten waren (Abb. 6, 9, 17). Das Nordwest-Südost-orientierte, rechteckige Bauwerk hatte eine Fläche von 15,5 m × 11,5 m. Die erhal- tenen Steinfundamente von durchschnittlich 3 m Breite wurden an der Sohle durch eine Feldstein- packung stabilisiert. Die Grundmauern waren in Gusskern-Zweischalenmauertechnik aufgeführt. Annexe an der südwestlichen Schmalseite und an der Nordostecke wurden als Stabilisierungssockel gedeutet, waren vielmehr aber wohl die bereits von Wilhelm Melhop überlieferten Ansätze des anschließenden Mauergevierts der Hauptburg. Die Fundamente waren offenbar in die alte Vege- tationsschicht eingetieft und dann angeschüttet worden. Über dem Feldsteinfundament folgten die aufgehenden Wände aus Backsteinen im Kloster- format. Zahlreiche Dachpfannenreste vom „Mönch- Nonne“-Typ belegen die Dacheindeckung. Dieser Turm II überlagerte eine aus sieben Eichenpfosten erschlossene Rechteckstruktur von 5,5 m × 7 m, die plausibel als hölzerner Vorgängerbau (Turm I) gedeutet wurde. Die im Durchmesser bis zu 0,6 m starken Eichenpfähle waren im Abstand von 1,5–1,8 m zueinander etwa 1 m tief eingeschlagen worden.38 Weder Holz- noch Steinbau waren näher zu datieren; lediglich 14 Tonscherben verwiesen auf eine spätmittelalterliche Zeitstellung. Archäolo- gisch spricht jedoch nichts dagegen, den schriftlich überlieferten Turmbau von 1341 mit dem archäolo- gisch nachgewiesenen Feld- und Backsteinturm zu verbinden, bei dessen Errichtung – so erweist die Erdanschüttung – auch der Hügel weiter ausgebaut wurde. Der hölzerne Vorgänger wäre dann um oder bald nach 1320 entstanden. Zumindest das Backsteinbauwerk dürfte nach sei- nen Ausmaßen den Charakter eines Wohnturms besessen haben. Aufgrund ähnlicher Grundform und Ausmaße wurde der Stegener Turm wiederholt mit dem Hamburger Wehr- und Leuchtturm auf der Insel Neuwerk verglichen (13,5 m Seitenlänge, un- ten 2,5–2,8 m Mauerstärke), der als 27,4 m hohes Backsteinbauwerk auf Feldsteinfundament eben- falls im 14. Jahrhundert, wohl ab 1375, entstand. Neuwerks Höhe dürfte der Stegener Turm aber kaum erreicht haben.39
4.4 Befestigung und Bebauung der Hauptburg Bereits in den geophysikalischen Untersuchungen wurde deutlich, dass Turm II die Südostecke eines rechteckigen Mauerberings von etwa 33 × 54 m Ausdehnung bildete, der die ganze Hauptburg um- gab und der – mächtigen Schuttmassen zufolge – zuletzt nach außen in den Graben gestoßen worden war (Abb. 9). Auf die Einbindung des Turms in das Mauergeviert dürften oben genannten Maueransät- ze zurückgehen. Unsere Schnitte 4 und 5 (Abb. 14, 15), die die Hauptburg mit Unterbrechungen und auch den östlich anschließenden Graben in Nord- west-Südost-Orientierung durchmaßen, wiesen die Ausbruchgrube des Ostverlaufs des Berings nach (Bef. 27). Das 2,3 m breite und 0,9 m tiefe Gräb- chen war bis auf den gewachsenen Boden (Bef. 18b) abgeteuft worden. In den östlich davor gelegenen Wassergraben waren Trümmer in großen Mengen verstürzt (Bef. 25). Das Mauergeviert umfasste die Ränder des in lediglich mäßiger Weise mottenartig aufgeschütteten Hügels (Abb. 18). Mit dem massigen Eckturm und dem kastellartig geschlossenen Backsteinbering dürfte Stegen der bis heute als Ruine erhaltenen Burg Glambeck auf der Insel Fehmarn geähnelt haben. Die Wasser- und Randhausburg ist ebenfalls von einem Backstein- Mauerrechteck (54 × 38 m Fläche) und einem qua- dratischen Eckturm (11 m Seitenlänge) geprägt, wobei das Hauptburgviereck Stegens etwas klei- ner war als jenes Glambecks, der Turm dafür aber größer. Glambeck vertritt als dänische Landesburg, die im 14. Jahrhundert zeitweise in der Hand der Grafen von Holstein war, einen charakteristischen Typus dänischer königlicher Burgen. Es liegt nahe, dass sich der auch in Dänemark aktive Stegener Bauherr beim Ausbau seines Stützpunktes an sol- chen Anlagen orientierte.40 Im Böschungsbereich der Hauptburg wurde auf dem anstehenden Boden und über 0,2 m starkem natürlichem Niederungssediment (Bef. 28) die lehmige Mottenaufschüttung (Bef. 26, 43) von gut 0,6 m Höhe festgestellt. Damit Mauer und Erdmas- sen dem Druck der Alten Alster widerstanden, war eine starke Faschine gesetzt worden, von der eine Reihe aus dicht nebeneinander gesetzten Pfosten am östlichen Hügelfuß zeugte (Bef. 30) (Abb. 14, 19). Die 11 angespitzten, leicht zum Hügel geneigten Weichholzpfosten – meist Erle – hatten bis zu 1,2 m Länge und waren bis zu 0,9 m tief eingeschlagen. Ein Versturzholz aus Eiche lieferte das dendrochro- nologische Datum +/-1319 (Waldkante), ein weite- res Eichenholz aus dem östlich davor gelegenen Grabensediment (Bef. 19/20) das Datum um/nach 1315. Zur Befestigung der Pfostenfaschine dienten grabenseitig davor platzierte Feldsteine. Die Hölzer gehörten sicherlich zur Sicherung der Böschung der im starken Strömungslauf der Alten Alster aufge- worfenen Hauptburg. Daher können wir die Jahr- ringdaten für den Anfang der Burg heranziehen. Stegen – Archäologie und Geschichte einer Burg des 14. Jahrhunderts in Stormarn Ein ähnliches Bild ergab sich auf der Westseite der Burg, wo die Grabensohle zwar nur teilweise erfasst wurde, unter Schutt- und Versturzschichten (Bef. 37, 38, 46) aber große Feldsteine und verlagerte Hölzer (Bef. 40) ebenfalls eine Böschungssicherung nachwiesen (Abb. 15, 20). Der auf dem Hauptburgplateau verlaufende Schnitt 5 erbrachte unter einer ca. 0,3 m starken Kultur- und Deckschicht (Bef. 35/35a) sowie planiertem Bauschutt (Bef. 45) zwei schmale, etwa rechtwinklig zum Mauerverlauf orientierte Gräbchen, die von den eingesenkten Schwellen eines etwa 9,6 m brei- ten Fachwerkhauses künden (Abb. 15, 21). Dieses war im Nordosten des Plateaus vermutlich direkt an die Nordseite des Berings angebaut worden. Eine dritte gräbchenartige Struktur von 1 m Breite und 0,5 m Tiefe (Bef. 36), an dessen Westrand Holzkohle in starker Packung lag (Bef. 36a), barg zwei massi- ve Holzpfosten (Bef. 41, 42), die etwa 1,3 m tief in Abb. 23. Stegen, Schnitt 5, Befunde 41 und 42 in der Hauptburg. Alexandra Philippi präsentiert die beiden gezogenen Pfosten (Foto: Felix Biermann). Abb. 24. Stegen, Schnitt 4, Arbeiten im Graben zwi- schen Haupt- und Vorburg unter schweren Wasserbe- dingungen, Ansicht von Wes- ten (Foto: Felix Biermann). Abb. 25. Stegen, Schnitt 2, Ostprofil, Aufhöhungsschich- ten des Vorburghügels, Ansicht von Südwesten (Foto: Felix Biermann). Burgen und Schlösser 3/2025 145
Felix Biermann und Normen Posselt Abb. 26. Stegen, Schnitt 1 auf dem Vorburghü- gel, Schuttmassen eines Gebäudes (Bef. 6) im ersten Planum, im Hintergrund der Hügel der Hauptburg, Ansicht von Südosten (Foto: Felix Biermann). Abb. 27. Stegen, Schnitt 1, Relikte desselben Gebäudes (Bef. 6) im unteren Planum, Ansicht von Südosten (Foto: Felix Biermann). Abb. 28. Stegen, Schnitt 6 am Turmhügel, Böschungs- sicherung mit Feldsteinen und Bohlen (Bef. 51, 62), Ansicht von Westen (Foto: Felix Biermann). Abb. 29. Stegen, Schnitt 7 auf dem Gartenhügel, Pfosten- loch (Bef. 65), Ansicht von Osten (Foto: Felix Biermann). die Hügelschüttung (Bef. 43) eingetrieben worden waren. Der längere Pfosten (Bef. 41) war deutlich nach Westen geneigt, während der andere nahezu aufrecht stand (Abb. 15, 22, 23). Letztgenannter er- gab das Jahrringdatum um/nach 1314. Die Position am westlichen Randbereich der Erhebung, etwa 1 m westlich vom Grabenansatz und innerhalb ei- nes Gräbchens, könnte dafür sprechen, dass das Pfostenpaar einen hölzernen Plankenzaun trug. Das wäre ein Hinweis auf einen zunächst hölzernen Be- ring, der in einer Ausbauphase – wohl zugleich mit dem Turmbau 1341 – durch die Backsteinmauer ersetzt wurde. Die Pfosten streben aber wohl zu weit auseinander, als dass zwischen ihnen Planken eingeschoben worden sein könnten. Möglicherwei- se bildeten sie eher die Stabilisierung und Lager für einen Schwellbalken. Zudem mögen sie auch als Pfahlgründung für eine im Gräbchen (Bef. 36) platzierte und später gänzlich ausgebrochene Mau- er gedient haben. Die leichteren Bauten im Norden der rechteckigen Randhausburg waren jedenfalls abgebrannt, wie Holzkohle in Rinnen, Schichtauf- lagen und am Grabenrand verraten (Abb. 15, 20). Der Graben zwischen Haupt- und Vorburg erwies sich im Schnitt 4 als Sohlgraben von gut 15 m Brei- te und 1,8–2 m Tiefe, in den das Alsterwasser mit starkem Druck drängte. Wegen des enormen Was- serzulaufs war er nur teilweise und unter Einsatz einer Pumpe zu erforschen (Abb. 14, 18, 24). Unter einer mächtigen Backstein- und Findlingsschuttpla- nierung (Bef. 24, 25), die vor allem am Haupthügel ihren Ausgang nahm, folgte eine sandig-lehmige Planierschicht (Bef. 22), darunter wieder eine mäch- tige Schuttlage (Bef. 23) und schließlich das humose Grabensediment (Bef. 19). Auf der Vorburgseite war viel Siedlungsabfall in den Graben entsorgt worden. 4.5 Befestigung und Bebauung der übrigen Hügel Auch die Vorburg besaß einen rechteckigen Mauer- bering von wenigstens 46 × 30 m Seitenlänge, wie die Geophysik zeigt (Abb. 9). Die geringeren Schutt- massen und die schwächeren Ausbruchgruben, die im Norden und Westen des Hügels erfasst wurden 146 Burgen und Schlösser 3/2025
(Schnitt 2, Bef. 1; Schnitt 4, Unterkante von Bef. 21), deuten aber auf einen bescheideneren Ausbaugrad hin als bei der Hauptburg (Abb. 11, 14). Auch die mit Backsteinen und Feldstein versetzten Versturzstra- ten an der Westböschung der Vorburg (Bef. 21) und die hier mit horizontal lagernden Bohlen erfasste Böschungssicherung (Bef. 20a) waren schwächer als an der Hauptburg (Abb. 14). Im Norden war die Situation allerdings nicht mehr abschließend zu klären, da die Böschung beim Bau des Alster-Trave- Kanals gestört worden war, weshalb auch eine Fa- schine fehlte. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das lediglich 0,7 m breite und 0,2 m tiefe Gräbchen (Bef. 1) hier nur die Wand eines Hauses am nördlichen Mauerzug markiert, die Reste des letztgenannten aber den Abtragungen zum Opfer gefallen sind. Jedenfalls besaß die Vorburg eine recht massive Aufschüttung (Bef. 2, 16) von bis zu 0,7 m Stärke, die der natürlichen Niederungsgrundschicht (Bef. 4, 5, 9, 17) und einer dünnen Brandschicht (Bef. 56, 76) auflag. Letztere dürfte von der Rodung des Baugeländes durch Feuer zeugen (Abb. 11, 25). Die Innenfläche der Vorburg war – ebenso wie jene der Hauptburg – nur schütter bebaut, wie die Geophysik und die Schnittfolge 1 und 3 erwiesen, die in Nordost-Südwest-Orientierung einmal das Zentrum des Hügels durchmaß (Abb. 9, 11–13). Funde von Eisenschlacken, Hufeisen u. Ä. deuten eine wirtschaftliche Nutzung dieser Terrains an. Im Norden der Vorburg kam ein bereits in der Geophy- sik erkanntes, stark zerstörtes Feldsteinfundament eines rechteckigen Gebäudes von etwa 4–5,5 m Sei- tenlänge ans Tageslicht (Bef. 6) (Abb. 10, 26, 27). Der insgesamt fundreiche Schutt – u. a. Keramik, Armbrustbolzen, Hufeisen und Messer – enthielt auch zahlreiche Backsteinfragmente, Dachpfannen und einen Formstein. Oben gänzlich unstrukturiert, gewann das Objekt darunter die Gestalt eines rechteckigen, ein- bis zweilagigen, unvermörtelten Mauersockels (Bef. 6d, 6f, 6g) mit teilweise klaren Kanten aus Feldsteinen, teils mit darunterliegen- dem Packwerk (Bef. 6e). Vermutlich ist der gesamte Befund als Packwerkbereich eines kleineren Hau- ses zu deuten, das planmäßig verwüstet worden war. Nach der Masse der Steine wies es zumindest im unteren Bereich massive Wände auf. Östlich daneben wurde wieder ein Pfostenpaar aus zwei zugespitzten Eichenpfosten (Bef. 67, 68) dokumen- tiert, wie wir es bereits aus der Nordwestecke der Hauptburg kennen (Bef. 41, 42) (Abb. 10). Die beiden Pfosten sind nahe beieinander eingeschlagen wor- den, wobei ein Pfosten (Bef. 67) fast senkrecht gut 1 m Tiefe erreichte und der andere, lediglich 0,5 m tiefe Pfosten (Bef. 68) nur leicht nach Osten abge- winkelt war. Ihre Funktion als beiderseitige Stüt- zen einer Bohlenwand wäre mithin eher denkbar als beim Pfostenpaar in der Hauptburg. Nach ihrer Position mitten in der Vorburg werden sie jedoch nicht zu einem hölzernen Bering gehört haben; eher markieren sie einen hölzernen Anbau des Steinge- Stegen – Archäologie und Geschichte einer Burg des 14. Jahrhunderts in Stormarn Abb. 30. Stegen, Keramik. 1–3 Altfunde Grabung 1986 (Fläche A); 4 Lesefund „Vorburg“; 5 Lesefund „Garten“; 6–8 Befund 6a; 9, 10 Befund 6b; 11, 12 Befund 7; 13 Befund 11. In Klammern werden die Warenarten (WA) angegeben. M. 1:3 (Zeichnung: Normen Posselt). Burgen und Schlösser 3/2025 147
Felix Biermann und Normen Posselt Abb. 31. Stegen, Keramik. 1–8 Befund 11; 9 Befund 12; 10, 11 Befund 21; 12, 13 Befund 23; 14–16 Befund 25. M. 1:3 (Zeich- nung: Normen Posselt). bäudes, als Pfahlgründung oder als Wandpfosten. Sonst wurden auf der Kuppe keine weiteren Befun- de festgestellt – unter der Deckschicht folgte die lehmige Mottenaufschüttung (Bef. 14, 15, 58/58a). Besonders hier traten viele Geschossspitzen auf. Der Turmhügel, durch den Böschungsschnitt 6 (8,75 m Länge, 1 m Breite) erkundet, war ebenfalls 148 Burgen und Schlösser 3/2025 künstlich aufgehöht (Abb. 9, 16). Die natürliche Hü- gelbasis bildete ein hellgrauer Niederungston (Bef. 61b), dem mehrere lehmige und sandige Schichten bis zu 1,1 m Höhe aufgetragen worden waren (Bef. 50, 60) und die am Rande in Versturz übergingen. Den Hügelfuß sicherten mächtige Feldsteine von bis zu 0,6 m Durchmesser (Bef. 51) sowie mehrere quer vor den Hügelfuß gelegte und unterhalb der Steine zur rostartigen Stabilisierung platzierte Balken (Bef. 62) (Abb. 28). Auf die mittelalterliche Nutzung gin- gen zwei Armbrustbolzen, eine Lanzenspitze, eine Schnalle und eine Keramikscherbe zurück. Baures- te wurden nicht erfasst. Auf der Gartenkuppe wurde eine lediglich kleine Sondage (Schnitt 7, 7,8 × 1 m) angelegt (Abb. 9, 16). Unter der 0,2–0,3 m mächtigen Deckschicht zeigte eine 0,3 m starke, mit Holzkohle und Back- steinbruch durchsetzte Kulturstrate (Bef. 63) eine intensive Nutzung an. Am Westende des Schnittes überlagerte eine 0,3 m starke, mit Holzkohlen- und Ascheresten versetzte Brandschicht (Bef. 64), die direkten Anschluss an Bef. 63 fand und auf ein ver- branntes Haus mit Holz-Lehmwänden zurückgehen dürfte, eine runde Grube wohl als Pfostenstellung (0,8 m Durchmesser, 0,3 m Tiefe) (Bef. 65) (Abb. 29). Backsteinbruch und Dachziegel weisen auch auf diesem Burgteil auf eine teilweise massive Be- bauung hin. Der gewachsene Boden wurde bereits 0,7 m unter der Geländeoberkante angetroffen, so dass hier, wenn überhaupt, nur eine geringe Auf- schüttung des Geländes erfolgt war. Vielmehr han- delt es sich um eine im Wesentlichen natürliche, aber grabenumgebene Kuppe. 5. Funde 5.1. Keramik Der keramische Fundstoff der Ausgrabung ist mit insgesamt 236 Fragmenten nicht sehr umfangreich, so dass von größeren statistischen Untersuchungen abgesehen wird. Das Material ist aber sehr inter- essant unter sozialen und chronologischen Frage- stellungen, als typisches Spektrum eines norddeut- schen Adelssitzes aus der ersten Hälfte bzw. dem zweiten Viertel des 14. Jahrhunderts (Abb. 30–33). Es stammt vor allem aus den Schutthorizonten in den Graben-/Böschungsbereichen. Die geringe Fundmenge hat vorrangig mit der kurzen Nutzungs- dauer der Burg zu tun, die nur etwa 27 Jahre um- fasst haben dürfte. Außerdem wird viel Abfall in den umliegenden Befestigungsgräben entsorgt und von der stark strömenden alten Alster fortgetragen worden sein. Bis auf eine neuzeitliche Scherbe sind alle Geschirrreste dem späten Mittelalter zuzuord- nen – 160 Wand-, 29 Rand- und 19 Bodenscherben sowie 27 Henkel- oder Henkelansatzfragmente.41 Erwartungsgemäß herrscht harte Grauware der Va- riante B vor.42 Wenn wir das Bestimmungsschema
Stegen – Archäologie und Geschichte einer Burg des 14. Jahrhunderts in Stormarn Felix Biermanns anwenden,43 nimmt den Löwenan- teil mit 63 % (149 von 235 auswertbaren Scherben) die reduzierend gebrannte Irdenware mit Sandma- gerung (Warenart 412) ein, die das Bild der Tonware vom 13. bis 15. Jahrhundert allgemein bestimmt. Dazu kommen 11 glänzende Grauwarescherben (5 %) (Warenart 421), 18 polierte graue Scherben (8 %) (Warenart 416) sowie eine Scherbe mit körni- ger Oberfläche (Warenart 413). Besonders die po- lierte Grauware ist eine typische Erscheinung des 14. Jahrhunderts; diese und die Warenart 421 ori- entierten sich wohl am Aussehen von Zinngefäßen und deren Glanz. Mit acht Nachweisen (3,40 %) tritt noch eine uneinheitliche, beigegraue, mittelhart bis hart gebrannte Irdenware mit Sandmagerung auf (Warenart 231), ferner ein Fragment roter Irdenwa- re (Warengruppe 320). Neben diesen einheimischen Erzeugnissen ist das Steinzeug Siegburger und Waldenburger Art mit 39 Scherben (17 %) namhaft vertreten (Warenart 521) (Abb. 34) – die aus dem sächsischen Walden- burg stammende Variante ist dabei sicherlich in der Minderheit, aber doch an zwei Bodenstücken mit Drahtabziehspuren erkennbar (Abb. 30.9, 31.13). Außerdem gibt es drei Faststeinzeugfragmente (Wa- renarten 511, 513 und 522). Vier Scherben (2 %), da- runter zwei vollständige Gefäßböden und eine stark geriefte Wandscherbe, sind der roten, außen blei- glasierten Irdenware zuzuweisen (Warenart 612). Das Steinzeug ist Import aus dem Rheinland und aus Sachsen, das Faststeinzeug kommt wohl aus Nordhessen oder Südniedersachsen, die glasierte Keramik dürfe in der Region erzeugt worden sein;44 diese Keramikvarianten stellen aber allesamt kost- spieligeres und höherwertiges Geschirr für eine adelige Tafel dar. Unter den Gefäßarten ist der mit 69 Stücken sehr hohe Anteil an Kannen bzw. Krügen bemerkens- wert, dazu kommen noch ein Becher und eine Schale. Viel Trink- und Schenkgeschirr ist für spät- mittelalterliche Adelssitze bezeichnend45 – an sol- chen Orten galt es, den Durst großer Gruppen von Gefolgsleuten, Jagdgesellschaften und anderer Gäs- te zu stillen, Trinkgelage fanden statt, und gerade das hochwertige und schöne importierte Steinzeug entsprach dem Anspruch sozial gehobener Kreise. Hinzu treten lediglich fünf Kugeltöpfe und sechs Grapengefäße (mit Lappen und Füßen). Unter den Randformen dominieren entsprechend Dornränder, die zu Kannen oder Krügen gehörten, und zu diesen zählten auch die 19 Standböden – sowohl einfache Flachböden mit Drahtabziehspuren als auch Wel- lenfüße. 5.2. Baukeramik Das zentrale Baumaterial der Burg war neben Feld- steinen und Holz Backstein im Klosterformat (meist 29 × 14 × 9 cm), der sich in großen Mengen in den Schuttmassen, insbesondere im Graben zwischen Haupt- und Vorburg fand (Abb. 35.1). Ein Backstein weist das Trittsiegel eines großen Hundes, ein wei- terer jenes einer Katze auf (Abb. 35.2). Die Dachde- ckung zumindest des Turms bestand ebenfalls aus Ziegelton, wobei eine nahezu vollständig erhaltene Dachfirstpfanne von 43 cm Länge Hervorhebung Abb. 32. Stegen, Keramik. 1, 2 Befund 25; 3–5 Befund 25 (bei Befund 30); 6, 7 Befund 37; 8–10 Befund 38; 11 Befund 39; 12–14 Befund 63. M. 1:3 (Zeich- nung: Normen Posselt). Burgen und Schlösser 3/2025 149
Felix Biermann und Normen Posselt Abb. 33. Stegen, Keramik. 1, 2 Schnitt 1, Planum 1; 3 Schnitt 3, Planum 1; 4 Schnitt 3, Lesefund; 5–9 Schnitt 5, Deckschicht 6–12 m W; 10, 11 Lesefunde von der Hauptburg. M. 1:3 (Zeichnung: Normen Posselt). Abb. 34. Stegen, Schnitt 7 auf dem Gartenhügel, Befund 63, Siegburger Stein- zeugscherbe in Fundlage (Foto: Felix Biermann). verdient (Abb. 35.8). Außerdem liegen etliche Relikte stattlicher Backsteinarchitektur vor: Ein säulchenartiges, leicht gebogenes Backsteinfrag- ment – einem überdimensionierten Gefäßhenkel nicht unähnlich – von 14,5 cm Länge und 5,5 cm Breite, das zu einer gotischen Fensterlaibung gehört haben dürfte, und zwei Formsteine aus Backstein mit je einer abgerundeten Ecke, wohl desgleichen zu Fenster- oder Türlaibungen (Abb. 35.3, 4, 7). Sie zeugen vom aufwändigen Ausbau von Wohnturm und Burg. Diesen unterstreichen auch ein Back- steinfragment mit grünen Glasurresten aus dem Graben zwischen Haupt- und Vorburg sowie ein bereits 1986 am Turm geborgenes, heute im ALSH 150 Burgen und Schlösser 3/2025 verwahrtes, schwarz glasiertes Gegenstück (Abb. 35.5, 6). Die Backsteine für die Burg sind wohl auf der gut 1,2 km südöstlich gelegenen Flur „Te- gelkamp“ gebrannt worden: „Man stieß dort“, so Wilhelm Melhop 1932, „vor etwa 70 Jahren beim Niederwerfen eines Walles auf einen alten Brenn- ofen mit Backsteinen, die in ihren Maßen mit den im Burghügel übereinstimmen. Sie messen 27 bis 29 cm in der Länge, 13 ½ bis 14 ½ cm in der Breite und 8 bis 9 cm in der Höhe.“46 5.3. Kleinfunde aus Eisen 5.3.1 Militaria und Reitzubehör Insgesamt wurden 665 Eisensachen geborgen, vielfach bei den Detektorprospektionen von 2019. Neben Nägeln bilden Armbrustbolzenspitzen die größte Fundmenge. Die Forschungen erbrachten damit Belege für einen massiven kriegerischen Konflikt um die Burg. Zunächst gibt es 90 eindeu- tig bestimmbare Bolzeneisen, etliche mit Aufprall- spuren. Sie streuen über das ganze Burgareal und sein nahes Umfeld, mit einer deutlichen Ballung im südlichen Bereich der Vorburg (Abb. 6). Die Fund- konzentration ergab sich trotz gleichmäßiger Pros- pektion des gesamten Burgterrains, doch können Einflüsse unterschiedlicher Boden- und Vegetations- verhältnisse, die Auswirkungen der Ausgrabungen von 1986 und 1994 an der Hauptburg (mit Boden- umlagerung auf gut 30 % der Fläche) sowie Ergebnis- se illegaler älterer Metalldetektoraktivitäten nicht ausgeschlossen werden; letztere könnten auch das Übergewicht von Eisenfunden gegenüber anderen Metallen erklären (siehe unten). Gleichwohl belegt die Verteilung der Bolzenspitzen vermutlich einen Angriff auf die turmgedeckte Südflanke von Haupt- und Vorburg aus südlicher Richtung, von wo aus auch der oben angesprochene Damm die Burg er- reichte. Ein Bolzeneisen aus der Wiese 25 m südlich des Hauptturmes unterstreicht diese Interpretation. Man sollte die Menge der Projektilfunde auch vor dem Hintergrund beurteilen, dass Armbrustbolzen zwecks Weiterverwendung üblicherweise nach den Kampfhandlungen wieder eingesammelt wurden, was auch in Stegen wahrscheinlich ist – so viele dabei übersehene Projektile weisen auf ein massi- ves Kampfgeschehen hin. Die Stücke haben fast durchweg Tüllen, sind 5,5–11 cm lang und im Blattquerschnitt zuzmeist elliptisch oder rhombisch (Abb. 36–38). Die meisten mit rhom- bischem Blattquerschnitt entsprechen Typ T 2-5 nach Bernd Zimmermann, dessen Terminologie im Weiteren auch gefolgt wird. Der Typus ist vom 13.–15. Jahrhundert gängig, findet insgesamt die größte Verbreitung und ist nicht genau zu datieren, mithin aber ohne Weiteres in das mittlere 14. Jahr- hundert zu verweisen. Die schlanke lanzettförmige Variante vom Typ T 2-4 ist ebenfalls vertreten (u. a. Abb. 36.10, 23, 25, 26, 28, 40, 47). Zwei Exemplare gehören zum etwas jüngeren Typ T 2-6 (Abb. 36.2,
38). Lediglich ein Projektil besitzt einen runden Schaftdorn und entspricht dem Typ D 2-5 (Abb. 36.51).47 Daneben treten auch drei teils nadelartige Spitzen vom Typ T 6-7 auf, die möglicherweise als Prellbolzen fungierten (Abb. 36.15, 25, 36). Ein Pro- jektil zeigt eine stumpfpyramidale Spitze, die dem Typ T 1-2 entspricht (Abb. 37.28), eine weitere mit quadratischem Blattquerschnitt gehört zum Typ T 1-1 (Abb. 36.42). Eine 13 cm lange Eisenspitze dürfte zu einer Wallarmbrust (Typ T 2-5s), zwei 14 und 16 cm lange Spitzen eher zu Lanzen oder Speeren gehört haben (Abb. 39.2–4, 40.1, 2).48 Als Altfund ist ein vollständiges eisernes Schwert mit großem Scheibenknauf überliefert, das wohl im Jahre 1927 zusammen mit zwei Hufeisen und einem stimmgabelartigen Gerät an der Ostseite des Gartens oder aber am Gut ausgepflügt wurde. Das stimmgabelartige Utensil ist funktional unklar, findet aber einen guten Vergleich in einem Fund von einem der Turmhügel bei Futterkamp, Kr. Plön.49 Das Schwert ist ein sog. Eineinhalbhänder des 14. Jahrhunderts. Es besitzt gute typologische Entsprechungen in der Schwertklassifikation Ewart Oakeshotts – hier die Typen XIII, XVI(a) oder XVII (Abb. 41).50 Zum Reitzeug gehören mehrere Reitersporenreste, durchweg von der Vorburg (Abb. 39.5–8). Beson- ders hervorzuheben ist ein mit 7 cm Durchmesser ungewöhnlich großes Rädchen eines Sporns, des- sen Träger offensichtlich Eindruck machen woll- te – das Prunkutensil eines geltungsbedürftigen Ritters (Abb. 39.8, 40.7). Ein nahezu vollständiger Reitersporn, zu dem wohl ebenfalls ein Rädchen ge- hörte, und zwei weitere Fragmente sind typologisch nicht weiter einzuordnen. Rädchensporen erlebten im 14. Jahrhundert jedenfalls ihre Hochzeit.51 Unter 32 Hufeisen sind etliche mit Wellenrändern, die seit dem 13. Jahrhundert allmählich zugunsten der Mondsichelform zurücktraten (Abb. 39.9–14; 42.1, 2).52 Sie belegen die Nutzung von Pferden und die Anwesenheit von Reitern auf der Burg. Außerdem gibt es Ringtrensennachweise in Form von Gebiss- stangenfragmenten, die dem im Spätmittelalter ge- läufigen Typ AIII nach N. Goßler entsprechen (Abb. 42.3).53 5.3.2. Gerätschaften und Ausstattung aus Alltag und Wirtschaft Zu den mehrfunktionalen Objekten, die sowohl als Werkzeuge als auch als Waffen zum Einsatz gekommen sein können, gehören zwei Keile sowie eine schmale Axt mit heruntergezogener Schneide, tropfenförmigem Auge und geradem Nacken (Abb. 39.1, 40.3, 42.12, 13). Dazu kommen drei Messer bzw. deren Fragmente als verbreitete alltägliche Gebrauchsgeräte (Abb. 40.5, 42.9, 10). Zur Messer- tracht gehört auch ein eiserner Messerscheidenbe- schlag mit zwei stegartigen, abgebrochenen Niet- armen (Abb. 40.6, 42.11), der die lederne Scheide stabilisierte. Diese Objekte sind seit der Zeit um Stegen – Archäologie und Geschichte einer Burg des 14. Jahrhunderts in Stormarn Abb. 35. Stegen, Baukera- mik. 1 Lesefund; 2, 7 Befund 6c; 3, 6 Befund 23; 4 Lese- fund südwestlich der Haupt- burg; 5 Altfund aus der Grabung 1986 (Fläche A); 8 Befund 6a. M. 1:4 außer 6 M. 1:2 (Fotos: Normen Posselt). 1200 geläufig, kommen im 15. Jahrhundert aus der Mode und sind in größeren Serien, teils noch an Lederscheiden haftend, u. a. aus Schleswig und Greifswald überliefert.54 Ebenfalls zur Trachtaus- stattung zählen vier D-förmige und fünf vierecki- ge Eisenschnallen, darunter eine mit profilierter Dornrast (Abb. 43.3–11). Es sind weit verbreitete und chronologisch nicht sehr aussagekräftige Ty- pen.55 Bei einem viereckigen Stück mit bewegli- cher Rollenkappe (Abb. 43.7) dürfte es sich um eine Sattelgurtschnalle vom Typ A nach N. Goßler handeln, die eine vom 13.–15. Jahrhundert geläu- fige Form repräsentiert.56 Von der Vorburg liegen ein viereckiges Steckschloss mit tropfenförmigem Querschnitt (Abb. 40.8, 43.2) sowie die Sperrrie- gelkonstruktion eines Steckschlosses (Abb. 42.15) vor – typische Ausprägungen des 14. Jahrhunderts, die mehrfach auch von Niederadelssitzen bezeugt sind.57 Zwei eiserne Steckschlüssel, darunter ein Burgen und Schlösser 3/2025 151
Felix Biermann und Normen Posselt Abb. 36. Stegen, Geschoss- spitzen aus Eisen. 1–8 SH 2019-151.3, 4, 17–22, 9–51 SH 2019-153.7, 15, 17, 19, 20, 27, 35, 36, 46, 47, 50, 52, 59, 60–62, 67–69, 76–78, 87–91, 97, 104, 137, 138, 147, 151–153, 155, 171, 174, 181, 186–189. M. 1:2 (Zeich- nung: Normen Posselt). recht zierlicher mit runder Reide (Abb. 40.9, 43.1) und ein mit 22 cm Länge sehr großes Stück (Abb. 40.10, 42.14) wohl zu einer Tür, stammen eben- falls von der Vorburg; außerdem gibt es einen großen Hakenschlüssel (Abb. 42.16). Die Stücke finden gute Analogien im Fundmaterial aus dem mittelalterlichen Schleswig.58 Zwei recht zierliche Eiskrebse (Abb. 42.7, 8) erleichterten die Begehung von Eisflächen. Sie wurden durch Schlitze auf der Schuhunterseite gezogen und gewährleisteten mit 152 Burgen und Schlösser 3/2025
Stegen – Archäologie und Geschichte einer Burg des 14. Jahrhunderts in Stormarn Abb. 37. Stegen, Geschoss- spitzen aus Eisen. 1–38 SH 2019-153.190, 191, 192, 194, 234, 238–267, 269, 326, 337. M. 1:2 (Zeich- nung: Normen Posselt). ihren Spitzen einen besseren Halt. Ihre Verwen- dung illustrieren z. B. Ledersohlen mit eingezo- genen Krebsen aus Greifswald und Grammertin (Mecklenburg).59 Als Tür- oder Fensterbeschläge sind mehrere Schar- nierfragmente und zwei eiserne Kloben zu nen- nen. Daneben liegen mehrere Krampen, S-förmige Haken, Überfallriegel, Kettenglieder und band- förmige Beschläge von Fensterläden oder Türen vor (Abb. 44.1–13).60 Hinweise auf Schmiede- und Verhüttungstätigkeiten auf dem Burgareal geben sechs Schlacken von insgesamt ca. 29 kg Gewicht, darunter ein kalottenförmiges, 23 kg schweres Ex- emplar sowie eine 4,5 kg schwere Schlacke auf der Hauptburg. Vielleicht sind sie aber auch als Ersatz für Steine von anderwärts in die Burg getragen worden. Abb. 38. Stegen, Geschoss- spitzentypen aus Eisen, Aus- wahl (Foto: Normen Posselt). Burgen und Schlösser 3/2025 153
Felix Biermann und Normen Posselt Abb. 39. Stegen, Kleinfunde aus Eisen. 1 Axt, 2–4 Geschoss- und Lanzen-/Speerspitzen, 5–8 Reitersporen, 9–13 Hufeisen. 1 SH 2019-151.5, 2, 4–13 SH 2019-153.268, 338, 63, 277, 276, 278, 29, 31, 32, 75, 280, 3 SH 2019-413.10. M. 1:2 (Zeichnung: Normen Posselt). 5.4. Kleinfunde aus Buntmetall und Silber Buntmetallfunde sind insgesamt deutlich unterre- präsentiert – vielleicht als Resultat illegaler Son- dentätigkeit, die nur auf Buntmetallfunde aus war. Es liegen vor allem bronzene Gefäßreste vor, ver- mutlich allesamt zu Grapen. Hervorzuheben sind ein 9 cm langer Fuß mit dreieckigem Querschnitt (Abb. 45.1), ferner das Randstück eines im Durch- messer 24 cm großen Gefäßes (Abb. 45.6). Dazu 154 Burgen und Schlösser 3/2025
Stegen – Archäologie und Geschichte einer Burg des 14. Jahrhunderts in Stormarn kommen vier Wandfragmente, darunter eines mit feinen Bürstenspuren und eines mit zwei Graten (Abb. 45.2–4). Ein zierlicher Grapenfuß (Abb. 45.5) stammt von der südlichen Belagerungsschanze (I) (siehe unten). Weiterhin gibt es eine D-förmige Schnalle (Abb. 45.8), an deren Schmalseite Feil- spuren von der Nachbearbeitung des Gussstückes zeugen, eine runde Schnalle (Abb. 45.9), die auch zum Pferdegeschirr gehört haben mag, und etliche Blechreste (Abb. 45.7). Besonders hervorzuheben ist der Fund eines Siegelstempels aus Zinnbronze, der auf der „Vorburg“ im Bereich der Schutt- und Kulturschicht (Bef. 11) aufgefunden wurde. Das 2,5 cm hohe Typar (Abb. 46.1) mit runder Stempel- platte von 2,5 cm Durchmesser besitzt eine Hand- habe mit runder Durchlochung zur Befestigung mittels Schnur am Gürtel. Die Siegelplatte zeigt eine gotische, randbegleitende, nicht sicher lesbare Majuskel-Umschrift mit einem im Kreis gefassten Pfeil als Zentralmotiv. Dort steht „SIG I O L I S […] V D“ – das Siegel eines Johannes Liss? Der Besitzer ist leider bislang nicht zu identifizieren. Jedenfalls war es kein Hummersbutle, denn deren Zeichen war ein Richtrad. Das an eine Hausmarke erinnern- de Motiv des Strahls bestätigt hingegen eine unter niederadeligen Familien der Region verbreitete Wappengruppe, etwa durch die von Borstel, von Crummesse, von Hagen, von Slamersdorp und von Tralowe. Vielleicht besteht irgendeine Verbindung des typologisch ins 14. Jahrhundert zu setzenden Siegelstempels zum 1304 genannten Dietrich von Hagen oder Stegen. Lediglich eine Münze (Abb. 46.2) – das Fragment ei- nes Silberbrakteaten – liegt vor. Es handelt sich um einen Lübecker Hohlpfennig mit gekröntem Königs- kopf. Solche Münzen wurden im fortgeschrittenen 13. und 14. Jahrhundert geprägt. Der relativ kleine Durchmesser von 1,7 cm spricht für eine frühe Va- riante der Zeit um 1300.61 Zu den Buntmetallfunden gehören ferner sieben Bleiwickel als Netzsenker oder Angelbleie, die nicht genau datierbar sind, sowie ein kleines wirtelartiges Bleiobjekt (Abb. 45.11, 13–19).62 Aus Zinn besteht das Henkelschar- nier (Abb. 45.12) einer typischen „Hansekanne“. Zinnkannen zählten zum gehobenen Tisch- und Schenkgeschirr, wie es in adeligem Kontext zu er- warten ist.63 5.5. Funde aus anderen Materialien In den Gräben der Hauptburg konnten mehrere Holzobjekte geborgen werden, darunter eine voll- ständige Daube von 36 cm Länge zu einem Zuber oder Eimer und der Rest einer innen gedrechselten und außen geschnitzten Schale von ehemals 16 cm Randdurchmesser (Abb. 46.3). Auf der Standfläche des Holzgefäßes ist eine Haus- oder Besitzmarke eingeschnitzt, die einem H oder A ähnelt. Spätmit- telalterliche Parallelen besitzt das Stück u. a. aus Lübeck und Greifswald.64 Überdies gibt es einen geschnitzten Holzstab und einige Schalen- oder Tel- lerfragmente. Unter den Steinartefakten sind drei Silex-Abschläge und Klingen (in einem Fall mit Endretusche) zu er- wähnen, die wohl sekundär mit der Hügelaufschüt- tung auf die Burgstelle gelangten (Abb. 45.21–23). Vorgeschichtliche Funde in der Form von „Urnen- scherben, Hohlbohrern, Spinnwirteln, Steinbeilen sowie Reste[n] von Vierfüßlern“ sollen um 1880 östlich der Vorburg gemacht worden sein.65 Inter- Abb. 40. Stegen, Kleinfunde aus Eisen. 1 Spitze von Wallarmbrustbolzen, 2 Speerspitze, 3 Reiterporn, 4 Axt, 5 Messer, 6 Messer- scheidenbeschlag, 7 Spornrad, 8 Steckschloss, 9, 10 Steckschlüssel. M. 1:2 (Fotos: ALSH, außer 1, 2, 4, 6: Normen Posselt). Burgen und Schlösser 3/2025 155
Felix Biermann und Normen Posselt Abb. 41. Stegen, Schwert, Altfund von 1927 (nach Knorr, Arnesvelde [wie Anm. 1], S. 53). Abb. 42. Stegen, Kleinfunde aus Eisen. 1, 2 Hufeisen, 3 Trense, 4–6 Ringe, 7, 8 Eiskrebse, 9, 10 Messer, 11 Messerscheidenbeschlag, 12, 13 Keile, 14–16 Schlüssel und Schlossteil. 1–16 SH 2019-153.285, 319, 308, 16, 214, 311, 274, 275, 9, 40, 55, 112, 291, 64, 131, 231. M. 1:2 (Zeichnung: Normen Posselt). essant sind zwei rundgeschliffene Steinkugeln, die auf der Vorburg (Bef. 11) aufgefunden wurden (Abb. 45.24, 25, 46.5, 6). Bei den im Durchmesser 3,5–5 cm großen Objekten aus Sandstein von 95 bzw. 57,4 g Gewicht dürfte es sich um Geschosskugeln han- deln. Wahrscheinlich wurden sie in der Hand- oder Stockschleuder sowohl bei der Jagd als auch im Krieg eingesetzt.66 Auch unter den Altfunden, die 156 Burgen und Schlösser 3/2025
im Gutshaus Stegen verwahrt wurden, befanden sich drei kleine Steinkugeln (Abb. 47). Eine weitere, stark zertrümmerte Granitsteinkugel wurde bereits 2018 wenig nördlich der Alten Alster auf Höhe der Hauptburg aufgelesen. Im Graben zwischen Haupt- und Vorburg kamen drei transluzide Glasscherben ans Tageslicht, die zu einem Becher mit blauem Rand gehörten (Abb. 46.4). Ein weiterer Glasrest wurde auf der Haupt- burg geborgen (Bef. 32). Diese Funde bezeugen er- neut gehobenes spätmittelalterliches Trinkgeschirr. Schließlich sind lediglich neun Tierknochen zu nen- nen, die als Schlachtabfälle von der Ernährung der Burgbewohner künden. 6. Geschichte und kulturhistorischer Kontext der Burg Stegen Die archäologischen Forschungen in Stegen haben nur Teile der Burg erfasst, lassen im Verbund mit den ungewöhnlich aussagekräftigen schriftlichen Nachrichten aber doch bemerkenswerte Schlüsse zur Gestalt, Geschichte und Bedeutung der Befes- tigung zu (Abb. 48). Sie wurde etwa im Jahre 1320 erbaut, wie die Jahrringdaten und das Fundmate- rial belegen. Während Haupt- und Vorburg sowie Turmhügel zu dieser Zeit ohne Vorgänger aufgewor- fen worden sind, lässt sich auf dem bislang wenig erforschten Gartenhügel eine frühere Besiedlung nicht ausschließen – vielleicht der 1304 erschließba- re Sitz Dietrichs von Hagen oder Stegen. Allerdings fehlen dafür belastbare Indizien. Unzweifelhaft ist jedenfalls, dass erst gegen 1320 die außergewöhn- lich große Turmhügelanlage entstand. Bauherr war der Knappe Johann Hummersbutle, der mit dieser „ganz groß gedachte[n] Anlage“ (Ferdinand Froh- böse 1938)67 seinen Status und seine über seinen sozialen Stand hinausgehenden Ambitionen doku- mentierte. Dieser Ausbau war insofern tatsächlich ein symbolischer Akt, mit dem er die Teilnehmer am politischen Kräftespiel seiner Zeit – den niede- ren Adel, die Grafen von Holstein, mächtige Städte wie Lübeck und Hamburg – zweifellos zu beeindru- cken vermochte. Er forderte sie damit auch heraus, denn Stegen war nicht nur ein Herrschafts- und Standessymbol, sondern auch ein wehrhafter Stütz- punkt und ein militärisches Instrument, das übliche Standards für Niederadelssitze weit hinter sich ließ. Das galt erst recht, nachdem Johann im Jahre 1341 die anfänglich wohl vorwiegend hölzerne, 1329 er- wähnte „curia sua“ in Feld- und Backstein ausbauen und hier einen Turm errichten ließ, der sogar im damals schon an Backsteinarchitektur reichen Lü- beck Aufmerksamkeit fand. Städte und Landesherren bemühten sich mit Rechts- titeln, Diplomatie und Gewalt um eine Kontrolle des niederadeligen Burgenbaus, wie es beispielsweise für die bei Travemünde gelegenen Burg Widdole der Gebrüder Buchwald im 14. Jahrhundert gut Stegen – Archäologie und Geschichte einer Burg des 14. Jahrhunderts in Stormarn Abb. 43. Stegen, Kleinfunde aus Eisen. 1 Schlüssel, 2 Steckschloss, 3–11 Schnal- len. 1-11 SH 2019-153.287, 288, 23, 25, 26, 74, 86, 159, 160, 197, 289. M. 1:2 (Zeich- nung: Normen Posselt). dokumentiert ist: 1336 hatte Graf Johann III. von Holstein-Plön entschieden, dass der dort im Bau befindliche Turm einzureißen sei und steinerne Baulichkeiten fürderhin zu unterbleiben hätten, doch im Kontext einer Zerstörung der Burg durch Lübecker Truppen im Jahre 1364 wird deutlich, dass der Ausbau doch erfolgt war.68 Laut Tratzigers oben erwähnter Nachricht musste auch Knappe Johann, damals Segeberger Vogt, die Zustimmung Lübecks und Hamburgs zu seinem kolossalen Ste- gener Befestigungswerk einholen und vermochte diese nur durch falsche Versprechen zu erhalten.69 Mit dieser Burg stellte Johann jedenfalls die Hier- archien seiner Zeit in Frage. Er orientierte sich bei seinem Bauwerk an landes- herrlichen Befestigungen insbesondere wohl des dänischen Königs. Die besondere Größe der Burg diente nicht nur der Statusdemonstration und als „militärische Drohkulisse“,70 sondern hatte auch praktische Zwecke für Johanns machtpolitische Ziele – als Protagonist einer niederadeligen Verei- nigung oder eines „Fehdeclans“ (siehe oben), des- sen Mitglieder sich zum Teil dauerhaft in seinem Umkreis aufhielten, benötigte er einen großzügig angelegten Stützpunkt für Treffen, Versammlung und Aufgebot sowie als Rückzugsort. Eine starke Burg war notwendig für seine mächtige Widersacher herausfordernden Bestrebungen, die deren absehbaren Gegenmaßnahmen zu widerste- hen vermochte. Die ausgedehnten Freiflächen in Burgen und Schlösser 3/2025 157
Felix Biermann und Normen Posselt Abb. 44. Stegen, Kleinfunde aus Eisen. 1 Türbeschlag, 2, 3 Krampen, 4, 5, 7, 8 Bänder, 6 Haken, 9 Kloben, 10 Scharnierband, 11 Überfallriegel, 12 Massel, 13 Splint. 1–13 SH 2019-153.38, 28, 48, 293, 309, 286, 148, 312, 179, 313, 290, 328, 92. M. 1:2 (Zeichnung: Normen Posselt). 158 Burgen und Schlösser 3/2025 den Burghöfen, die viel Platz für die Aufnahme von Gästen, Gerät und Beute boten, sind auf diese Weise plausibel zu erklären. Allerdings mag man annehmen, dass die Burg noch nicht fertig war, ihre Bebauung erweitert und verdichtet worden wäre, wenn Johanns Bestrebungen nicht schon sechs Jah- re später, 1347, ihr Ende gefunden hätten. Die mit ca. 27 Jahren kurze Existenzzeit der Burg macht auch das vergleichsweise spärliche Fundmaterial verständlich. Dieses ist allerdings bemerkenswert aufgrund des vielen Trink- und Schenkgeschirrs, des importierten Steinzeugs sowie glasierter Ware, von Buntmetall-, Zinn- und Glasgefäßen sowie der Reitersporen, darunter das grandiose Riesenräd- chen – Zeugen einer elitären, auf Repräsentation und Komfort bedachten Lebensart, für die die Burg die Bühne bildete. Zahlreiche Armbrustbolzen mehrfach mit Aufprall- spuren, die Brandschichten, die bis in den Grund zerstörten Baulichkeiten und die in die Burggräben gestoßenen Umfassungsmauern sichern das krie- gerische Ende und die nachfolgende Schleifung der Burg. Das Ereignis ist anhand der Funde nur allgemein in das 14. Jahrhundert zu datieren, doch legen der Bündnisvertrag vom 24. August 1347, der ausdrücklich den Angriff auf Stegen vorsah, und die Nachrichten des Lesemeister Detmar über die schwere Belagerung sehr nahe, die archäologi- schen Funde mit dem gräflich Holsteinischen und Hamburger Angriff auf Stegen im Jahre 1347 zu verknüpfen. Dieser wird auch durch zwei 200 und 350 m östlich der Burg gelegene Erdwerke bestätigt, bei denen es sich um Belagerungsschanzen handeln dürfte – eine turmhügelartige Anlage im Norden und eine burgseitig verstärkte Rechteckschanze südlich der Alten Alster (Abb. 5.6, 7). Ähnliche Be- lagerungswerke kennen wir verschiedentlich von spätmittelalterlichen Burgen der Region, insbeson- dere in Dänemark.71 Sie passen zudem zu den oben erwähnten Vorkehrungen im Vertrag der Hambur- ger und Holsteiner von 1347 über die Anlage von Schlössern mit Bergfrieden beim militärischen Vorgehen gegen Hummersbutle und Konsorten: „Vortmer vorbuwede wi etlik slot mit enem berch- vrede, mit twen oder mit dren, so wanne we buwet hebbet, so schole wi an luden vnde an kost de dre- del stan, und de ratmanne van Hamborch dat verde deyl“.72 Laut Frederick Zangel handelt es sich hier um „Bestimmungen über die Anlage einer Belage- rungsburg mit bis zu drei Bergfrieden“.73 Mithin bestätigen die archäologischen Befunde die wiederholt bezweifelte Überlieferung zur Belage- rung von 1347, bis hin zu dem Sachverhalt, dass die Burg dem Erdboden gleichgemacht wurde und nie wiedererstand – hoch symbolische Maßnahmen zur demonstrativen Beseitigung dieses Symbols niederadeliger Überhebung. Das ist übrigens ein auch methodologisch interessanter Sachverhalt, wurde die Belagerung doch erst durch den (lange verpönten) Einsatz des Metalldetektors bei unseren
Stegen – Archäologie und Geschichte einer Burg des 14. Jahrhunderts in Stormarn Alster fortan nur mehr Kleinburgen – Bergfriede ohne Umfassung und ohne Vorburgen – errichten dürften. Das vermittelt uns eine Vorstellung von der Wirkung, die Burg Stegen bei den Landesher- ren gemacht hatte: Eine derartig starke Feste sollte sich nicht erneut in der Hand eines Niederadeligen befinden. So erweist sich die Burg Stegen als ein- drucksvolles Denkmal für die großen Ambitionen eines Knappen und für deren Scheitern im über- regional von Auseinandersetzungen zwischen er- starkenden Niederadeligen und schwachen Landes- herren geprägten 14. Jahrhundert. Der heute ganz entlegene Platz, so belegen die archäologischen und historischen Forschungsresultate (Abb. 49), stand für eine kurze Phase im Zentrum dramatischer Er- eignisse, in denen sich zentrale Gegensätze ihrer Epoche entluden. Abb. 45. Stegen, Kleinfunde. 1–11 Bronze/Messing; 12 Zinn; 13–19 Blei, 20 Glas, 21–25 Stein. 1, 4, 5, 6, 10–25 SH 2019-153.106, 302, 344, 232, 303, 334, 304, 51, 96, 107, 125, 207, 305, 335, 200, 2, 201,21, 85; 2, 3, 7, 8, 9 SH 2019-151.16, 27, 26, 14, 15. M. 1:2 (Zeich- nung: Normen Posselt). Abb. 46. Stegen, Kleinfunde. 1 Buntmetall; 2 Silber; 3 Holz; 4 Glas; 5, 6 Stein. M. 1:2 außer 2 M. 1:1, 3 M. 1:3 (Fotos: Normen Posselt). Abb. 47. Stegen, Altfunde, Backstein im Kloster- format und Steinkugeln (nach Knorr, Arnesvelde [wie Anm. 1], S. 52). Forschungen im Jahre 2019 sichtbar. Die Grabungen von 1986 und 1984 hatten trotz beträchtlicher Frei- legungen keinerlei Hinweise auf Kampfhandlungen in Stegen, ja überhaupt keine Metallfunde erbracht. Lesemeister Detmar zufolge hielt Stegen 1347 der Belagerung stand, ein Entsatzversuch Waldemar Atterdags schlug fehl, doch konnte der Dänenkönig dann einen Frieden vermitteln. Ob das der Wahrheit entspricht, lassen die archäologischen Funde zwar offen. Sie bestätigen allerdings etliche andere zent- rale Angaben Detmars zu Stegen, wie den Turmbau und die Belagerung, so dass es keinen besonderen Grund gibt, die Mitteilungen des Chronisten zu Wal- demars Stegener Aktivitäten in Zweifel zu ziehen. Angesichts des geschickten und weiträumigen poli- tischen Agierens Johann Hummersbüttels zwischen den Akteuren des norddeutschen und dänischen Raumes erscheint es zudem als durchaus glaub- haft, dass der Knappe bei seinen ehrgeizigen Akti- vitäten die Gegensätze der Großmächte ausnutzte und Rückhalt beim dänischen Herrscher genoss. Der Vertrag von Nebbe (1348) wäre dann auf unser Stegen und nicht jenes auf Møn zu beziehen. Wie auch immer – die Grafen und der Knappe setzten sich nach dem militärischen Konflikt bald wieder ins Benehmen, und zumindest seine Söhne konnten in Stormarn erneut Fuß fassen. Die Versöhnung, die der Wiederherstellung der zuvor ins Wanken geratenen und stets gefährdeten Ordnung diente, lag in beiderseitigem Interesse. Der Vertrag von 1347 hob extra hervor, dass die Niederadeligen im gräflichen Machtbereich an der Burgen und Schlösser 3/2025 159
Felix Biermann und Normen Posselt Abb. 48. Stegen, schema- tischer Plan der Burg mit den wichtigsten Befunden, Rekonstruktion nach Oberflächenrelief, Geophy- sik und Ausgrabungen. Sichtbar sind die Burghügel mit dem Wassergräben (blau) und den befestigten Burgarealen (hellgrau). Auf Haupt- und Vorburg sind rechteckige Umfassungs- mauern und Hauptturm (rot) sowie weitere Gebäude (grau) dargestellt, auf dem „Garten“ ein Bering unklarer Bauweise (grau). Auf dem Turmhügel ist nur die ungefähre Ausdehnung des Nutzungsareals zu erschlie- ßen (Grafik: Felix Biermann). Abb. 49. Stegen, die Burg aus südlicher Vogelperspektive während der Ausgrabungen 2019. Links Hauptburg mit rekonstruiertem Turmfun- dament, rechts Vorburg, nur teilweise erfasst rechts oben der Garten und rechts (in den Bäumen) der Turmhügel (Foto: Hendrik Alberts). 160 Burgen und Schlösser 3/2025
Felix Biermann und Normen Posselt Anmerkungen 1 Vgl. u. a. Wilhelm Melhop, Johann von Hummersbüttel und die Burg zu Stegen. In: Jahrbuch des Alstervereins 1901, S. 54; ders., Johann von Hummersbüttel und die Burg zu Stegen. Jahrbuch des Alstervereins 3, 1903, S. 1–5; ders., Hummersbüttel und die Burg Stegen. In: Ludwig Frahm (Hrsg.), Stormarn und Wandsbek. Große Ausgabe der Hei- matkunde, Poppenbüttel 1907, S. 153–156; ders., Johann von Hummersbüttel und die Burg zu Stegen. In: Niederdeutscher Heimatfreund 1925, S. 99–103; ders., Die Alster. Geschicht- lich, ortskundlich und flußbautechnisch beschrieben, Ham- burg 1932, S. 293–300; Ferdinand Frohböse, Von Burgen in und um Stormarn. In: Constantin Bock von Wülfingen/Walter Frahm (Hrsg.), Stormarn. Der Lebensraum zwischen Ham- burg und Lübeck, Hamburg 1938, S. 189–197; Alf Schreyer, Stegen und die Familie von Hummersbüttel. In: W. O. Paul Kettel (Hrsg.), Naturpark Oberalster – Juwel der Naherho- lung im Nordosten Hamburgs, Hamburg 1976, S. 69–72; ders., Stegen und der Knappe Henneke de Hummersbutle. In: Stormarner Hefte 15, 1990, S. 9–15; Martin Knorr, Arnesvel- de, Stegen, Wohldorf. Geschichte und Rekonstruktion dreier mittelalterlicher Burgen in Stormarn (Stormarner Hefte, 7), Neumünster 1981; Rainer Demski, Adel und Lübeck: Studien zum Verhältnis zwischen adliger und bürgerlicher Kultur im 13. und 14. Jahrhundert (Kieler Werkstücke, R. D: Beiträ- ge zur europäischen Geschichte des späten Mittelalters, 6), Frankfurt/M. u. a. 1996, u. a. S. 134 f.; Günther Bock, Stegen und König Waldemar IV. von Dänemark. In: Jahrbuch für den Kreis Stormarn 37, 2019 (2018), S. 64–78; Frederic Zangel, Castrum, curia, berchvrede. Die Burgen Holsteins und Stor- marns in ihrer geschichtlichen Bedeutung und Wahrneh- mung (1134 bis 1534) (Kieler Schriften zur Regionalgeschich- te, 6), Kiel/Hamburg 2021, 537–539. 2 Vgl. Johann Petersen, Chronica oder Zeitbuch der Lande zu Holsten, Stormarn, Ditmarschen und Wagern, Lübeck 1599, S. 88; ebenso auch Cyriacus Spangenberg in seiner Chronik der Holsteiner Grafen (1614), vgl. Zangel, Castrum (wie Anm. 1), S. 539; volkstümliche Flurnamen sind auch „Alte Burg“ und „Reuverbarg“ (Räuberberg) (Melhop, Alster [wie Anm. 1], S. 294 f.; Curt Davids, Chronik des alten Gutsbezirks Jersbek-Stegen, Hamburg 1954, S. 22). 3 Der Fundplatz wird seit 1968 als Bodendenkmal Nr. 004830, Landesaufnahme Nr. 9 (LA 9), geführt. 4 Die Bezeichnungen gehen wohl auf Frohböse, Burgen (wie Anm. 1), zurück, später ergänzt um den „Turmhügel“ (Joa- chim Kühl, Burg Stegen – Archäologische Ausgrabungen auf der mittelalterlichen Burg des Johann von Hummersbüttel. In: Denkmalpflege im Kreis Stormarn III. Stormarner Hefte 20, 1997, S. 238–251, hier S. 239 f., 247 f., Abb. 2). Letzterer war in der älteren Forschung teilweise nicht oder nur unzu- reichend erkannt worden (z. B. Frohböse, Burgen [wie Anm. 1], S. 195; Hans Hingst, Vorgeschichte des Kreises Stormarn [Veröffentlichungen des Landesamtes für Vor- und Frühgeschichte in Schleswig/Die vor- und frühgeschichtli- chen Denkmäler und Funde in Schleswig-Holstein, 4], Neu- münster 1959, S. 166). 5 Johannes von Schröder/Hermann Biernatzki, Topographie der Herzogthümer Holstein und Lauenburg, des Fürsten- thums Lübeck und des Gebietes der freien und Hanse- Städte Hamburg und Lübeck II, Oldenburg 1856, S. 479 (Zitat); Beschreibung des Zustandes um 1870 und Skizzen bei Mel- hop, Alster (wie Anm. 1), S. 251 Abb. 126; Frohböse, Burgen (wie Anm. 1), S. 195. 6 Siehe dazu Melhop, Alster (wie Anm. 1), S. 102–128; Niels Petersen, Neue Gräben. Der Alster-Trave-Kanal und andere Wasserstraßenprojekte im 16. Jahrhundert. In: Norbert Fi- scher/Ortwin Pelc (Hrsg.), Flüsse in Norddeutschland. Zu ihrer Geschichte vom Mittelalter bis in die Gegenwart, Neumünster 2013, S. 225–244. 7 Vgl. Arthur Dähn, Ringwälle und Turmhügel. Mittelalterli- che Burgen in Schleswig-Holstein, Husum 2001, S. 107, 165, 271 f., 402 f. 8 Vgl. zuletzt Jan Habermann, Spätmittelalterlicher Niederadel im Raum nördlich der Elbe: Soziale Verflechtung, Fehdepra- xis und Führungsanspruch regionaler Machtgruppen in Südholstein und Stormarn (1259 bis 1421) (Verherrschaftun- gen in Reich, Raum und Regionen, 1), Norderstedt 2015; Zangel, Castrum (wie Anm. 1). 9 Habermann, Niederadel (wie Anm. 8), S. 122–125, 153–156. 10 Wolfgang Laur, Historisches Ortsnamenlexikon von Schles- wig-Holstein (Veröffentlichungen des Landesarchivs Schles- wig-Holstein, 28), Neumünster 1992, S. 616. 11 Schleswig-Holstein-Lauenburgische Regesten und Urkun- den, 3 (1301–1340), hrsg. von Paul Hasse, Hamburg/Leipzig 1891 (SHRU), Nr. 32; Hamburgisches Urkundenbuch, 2 (1301–1336), hrsg. von Hans Nirrnheim, Hamburg 1911–1934 (Hamb. UB), Nr. 27; Zangel, Castrum (wie Anm. 1), S. 538; Schreyer, Stegen und der Knappe (wie Anm. 1), S. 9, hielt die Existenz einer „curia“ für wahrscheinlich. 12 SHRU 3 (wie Anm. 11), Nr. 68; Hamb. UB 2 (wie Anm. 11), S. 56; vgl. Davids, Chronik (wie Anm. 2), S. 20. 13 Bock, Stegen und Waldemar (wie Anm. 1), S. 65. 14 SHRU 3 (wie Anm. 11), Nr. 736; Hamb. UB 2 (wie Anm. 11), Nr. 806. Zur Erstnennung siehe SHRU 3 (wie Anm. 11), Nr. 226; Hamb. UB 2 (wie Anm. 11), Nr. 217; Bock, Stegen und Waldemar (wie Anm. 1), S. 66. 15 Schreyer, Stegen und die Familie (wie Anm. 1), S. 70–72; ders., Stegen und der Knappe (wie Anm. 1), S. 9–12; Bock, Stegen und Waldemar (wie Anm. 1), S. 66, 72, 74. 16 Chronik des Franciscaner Lesemeisters Detmar nach der Urschrift und mit Ergänzungen aus anderen Chroniken 1, hrsg. von Ferdinand Heinrich Grautoff, Hamburg 1829, S. 251. 17 Tratziger‘s Chronica der Stadt Hamburg, hrsg. von Johann Martin Lappenberg, Hamburg 1865, S. 75 f. 18 Urkunden-Buch der Stadt Lübeck 2.2, Lübeck 1858, Nr. 758. 19 Schreyer, Stegen und der Knappe (wie Anm. 1), S. 9–11; Günther Bock, Kirche und Gesellschaft – aus der Geschichte des Kirchspiels Sülfeld 1207 bis 1684, Sülfeld 2007, S. 143; ders., Stegen und Waldemar (wie Anm. 1), S. 66. 20 Schleswig-Holsteinische Regesten und Urkunden 4 (1341– 1375), hrsg. von Volquart Pauls, Kiel 1924 (SHRU 4), Nr. 240; Davids, Chronik (wie Anm. 2), S. 13; Bock, Stegen und Wal- demar (wie Anm. 1), S. 67. 21 SHRU 4 (wie Anm. 20), Nr. 294; Hamburger Urkundenbuch, 4, hrsg. von Jürgen Reetz, Hamburg 1967, Nr. 335; Bock, Stegen und Waldemar (wie Anm. 1), S. 67. 22 Detmar, Chronik (wie Anm. 16), S. 263; vgl. Knorr, Arnesvel- de (wie Anm. 1), S. 41 f.; Schreyer, Stegen und der Knappe (wie Anm. 1), S. 13. 23 Abdruck der Urkunde bei Johann Martin Lappenberg, Histo- rischer Bericht über Hamburgs Rechte an der Alster, Ham- burg 1859, hier S. 39–41; vgl. auch Melhop, Alster (wie Anm. 1), S. 294; Schreyer, Stegen und der Knappe (wie Anm. 1), S. 13; Bock, Stegen und Waldemar (wie Anm. 1), S. 67; Zangel, Castrum (wie Anm. 1), S. 538 (hier besonders auch zum möglichen Bau von Belagerungsburgen). 24 Detmar, Chronik (wie Anm. 16), S. 259, 264, 266 f. 25 Tratziger, Chronik (wie Anm. 17), S. 81–83; ähnlich (und Detmar folgend) auch weitere spätmittelalterliche Chronis- ten (u. a. Chronica Novella, Hamburger Chronik), vgl. Zangel, Castrum (wie Anm. 1), S. 538. 26 Urkundensammlung der Schleswig-Holstein-Lauenburgi- schen Gesellschaft für vaterländische Geschichte 2, hrsg. von Andreas Ludwig Jakob Michelsen, Kiel 1842–1858, S. 212– 214; SHRU 4 (wie Anm. 20), Nr. 325. 27 Vgl. u. a. Melhop, Alster (wie Anm. 1), S. 294; Knorr, Arnes- velde (wie Anm. 1), S. 45 f.; Schreyer, Stegen und der Knappe (wie Anm. 1), S. 14; Hilke Elisabeth Saggau, Bargfeld-Stegen, Kr. Stormarn. Zehnter Arbeitsbericht des Archäologischen 166 Burgen und Schlösser 3/2025
Stegen – Archäologie und Geschichte einer Burg des 14. Jahrhunderts in Stormarn Landesamtes Schleswig-Holstein. Grabungsberichte der Jah- re 1988–1993. In: Offa 53, 1996, S. 466–467, hier S. 467. 28 Für Stege auf Møn: z. B. Frohböse, Burgen (wie Anm. 1), S. 196; Zangel, Castrum (wie Anm. 1), S. 196, 528; Bock, Stegen und Waldemar (wie Anm. 1), S. 68–72; ders. in diesem Heft; zu der dänischen Burg vgl. Henriette Rensbro, Stege Castle 1314 AD – a Danish Wooden Castle? In: Castella Maris Baltici 6, Vilnius 2004, S. 165–172. 29 SHRU 4 (wie Anm. 20), Nr. 838; Schreyer, Stegen und der Knappe (wie Anm. 1). S. 14. 30 Günther Bock, Grundherren des Hamburger Umlandes in der Krise des 14. Jahrhunderts. Die niederadelige Familie Struz. In: Zeitschrift für Holsteinische Geschichte 91, 2005, S. 1–49, hier S. 9. 31 Melhop, Johann von Hummersbüttel 1901 (wie Anm. 1); ders., Johann von Hummersbüttel 1903 (wie Anm. X); ders., Johann von Hummersbüttel 1905 (wie Anm. 1); ders., Alster (wie Anm. 1), S. 293–300. 32 Melhop, Johann von Hummersbüttel 1907 (wie Anm. 1), S. 155; ders., Alster (wie Anm. 1), S. 298 f. (Zitat). 33 Nis Hardt, Bericht über die Ausgrabung auf der Burganlage Stegen LA 9 Bargfeld-Stegen, Kreis Stormarn (unveröffent- lichter Grabungsbericht, ALSH); Kühl, Burg (wie Anm. 4), S. 238; die Grabungsdokumentation von 1986 mit 29 SW- Fotos ist im ALSH vorhanden; im Kreisarchiv Stormarn (Bad Oldesloe) gibt es zudem 13 Farbaufnahmen. 34 Kühl, Burg (wie Anm. 4); die Grabungsdokumentation von 1994 war 2018 im ALSH nicht auffindbar. 35 Die archäologische Untersuchung (Bargfeld-Stegen, Kr. Stor- marn, LA 9, SH 2019-153), die unter der Leitung der Bericht- erstatter stand, war ein Kooperationsprojekt des ALSH und der Universität Greifswald mit Unterstützung der Universi- tät Kiel (Lehrstuhl für Regionalgeschichte, Prof. Dr. Oliver Auge); an den Grabungen beteiligten sich Ottilie Blum M. A., Alexandra Karnatz, Thobias Müller, Alexandra Philippi M.A. und Alexandra Ulisch M.A., an den Metalldetektorpro- spektionen Mike Fenner, Sebastian Fischhold, Jürgen Mau- erer, Matthes Völkner und Dirk Wegner sowie mehrere Mitglieder der „Detektorgruppe Schleswig-Holstein“; die Feld- und Auswertungsarbeiten unterstützten Olaf Christi- ansen, Michael Dohme, Jan Fischer, Dr. Sönke Hartz, Frank Heß, Dr. Volker Hilberg, Dr. Ulf Ickerodt, Dr. Ingo Lütjens, Dr. Joachim Schultze und Dr. Astrid Tummuscheit (ALSH), Hendrik Alberts (Fa. Acontour, Bargfeld-Stegen), Marianne Baier (Alsterverein e. V., Hamburg), Günther Bock (Groß- hansdorf), Dr. Karl-Uwe Heußner (Petershagen), Ulrich Bär- wald (Amt Bargteheide-Land), Andreas Fischer-Happel (Ge- meindearchiv Nahe), Andreas Gerkens (Bürgermeister von Bargfeld-Stegen), Axel Lohr (Hamburg), Michael Merkel (Archäologisches Museum Hamburg), Mathias Ritter (Evan- gelische Stiftung Alsterdorf, Hamburg), Petra-Maria Schark (Heimatmuseum Bad Oldesloe), Werner Siebenhaar (Bargte- heide), Heidelies Wittig (Museum am Rothenbaum, Ham- burg) und in besonderem Maße Jörg und Vincent Meyer (Fa. Meyer‘s Grün, Kayhude); allen genannten Personen und Institutionen sei herzlich gedankt. Dazu erschienen bereits zwei Vorberichte sowie ein Beitrag zur Belagerung von 1347: Felix Biermann/Normen Posselt, The Siege of Stegen Castle in Stormarn in the Year 1347 and its Archaeological Evi- dence. In: Acta Militaria Mediaevalia 17, 2021, S. 87–101; dies., Neue archäologische Forschungen auf Johann Hum- mersbüttels Burg Stegen. In: Jahrbuch für den Kreis Stor- marn 41, 2023 (2022), S. 64–78; dies., Hamburg und Holstein gegen Johann Hummersbüttel – Burg Stegen in Stormarn. In: Archäologie in Deutschland 2022, 5, S. 48–49. 36 Dr. Karl-Uwe Heußner, Deutsches Archäologisches Institut Berlin (DAI), Lab.-Nr. C 99091, Schnitt 4, Bef. 30, Eiche, 1248–1319, Fälldatum 1319 +/-Waldkante; C 99103, Schnitt 4, Bef. 19/20, Eiche, 1275–1295, Fälldatum um/nach 1315; weitere eingereichte Holzproben wurden vorwiegend als Eiche und Erle, vereinzelt auch als Hasel, Esche und Weide/ Pappel bestimmt. 37 DAI, Lab.-Nr. C 99106, Schnitt 5, Bef. 42, Eiche, 1251–1294, Fälldatum um/nach 1314. 38 Saggau, Bargfeld (wie Anm. 27), S. 467; Kühl, Burg (wie Anm. 4), S. 249. 39 Kurt Ferber, Der Turm und das Leuchtfeuer auf Neuwerk. In: Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte 14, 1909, S. 1–36, hier S. 26–31; zum Vergleich zwischen Stegen und Neuwerk vgl. u. a. Melhop, Alster (wie Anm. 1), S. 296; Knorr, Arnesvelde (wie Anm. 1), S. 43. 40 Zu Burg Glambeck vgl. Richard Haupt (Bearb.), Die Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Schleswig-Holstein 2, Kiel 1888, S. 81; ders., Dänischer Burgenbau: Die Burg Glambeck auf Fehmarn. In: Der Burgwart 9, 1907/08 (1908), H. 4, S. 81–85; Jens Friedhoff, „Lebendiges Mittelalter“ und „ver- gessene Ruinen“ – die Turmhügelburg Lütjenburg und die Burgruine Glambeck in Schleswig-Holstein. In: Burgen und Schlösser 4/2012, S. 215–221; Dähn, Ringwälle (wie Anm. 7), S. 182 f.; zu dänischen Königsburgen mit Rechteckform, Rechtecktürmen und Backsteinmauern vgl. Rikke Agnete Olsen, Danish Medieval Castles, Aarhus 2014. 41 Scherben, die sicher einer Gefäßeinheit zugeordnet werden konnten, wurden einfach gezählt; die Grabungen von 1986 erbrachten im Bereich des Turms lediglich 14 teils geriefte blaugraue Scherben, darunter ein Kugelbodenfragment und drei Sattelhenkel; sie wurden in der statistischen Auswer- tung nicht berücksichtigt. 42 Wolfgang Erdmann/Hans Joachim Kühn/Hartwig Lüdtke/ Edgar Ring/Wolfgang Wessel, Rahmenterminologie zur mit- telalterlichen Keramik in Norddeutschland. In: Archäologi- sches Korrespondenzblatt 14, 1984, S. 417–436. 43 Felix Biermann, Die mittelalterliche Keramik der Ausgra- bung Altstädtische Fischerstraße 5–6 zu Brandenburg an der Havel. In: Veröffentlichungen des Brandenburgischen Landesmuseums für Ur- und Frühgeschichte 33, 1999 (2003), 179–268. 44 Vgl. die betreffenden Beiträge bei Hartwig Lüdtke/Kurt Schietzel (Hrsg.), Handbuch zur mittelalterlichen Keramik in Nordeuropa. Schriften des Archäologischen Landesmuse- ums 6, Neumünster 2001. 45 Felix Biermann/Christof Krauskopf, Die spätmittelalterliche Turmruine am Kölpinsee, Gemarkung Götschendorf, Lkr. Uckermark. In: Veröffentlichungen zur brandenburgischen Landesarchäologie 45, 2011 (2012), S. 175–225, hier S. 197 f. 46 Melhop, Alster (wie Anm. 1), S. 299. 47 Der eher seltene Geschossspitzentyp findet eine gute Ana- logie in einem nordostdeutschen Fundkomplex Branden- burgs: Felix Biermann/Roger Blum/Jan Seifert, Ein markgräf- licher Pfahlbau im Werbellinsee – die spätmittelalterliche Kemlade von Altenhof (Brandenburg). In: Burgen und Schlösser 2/2020, S. 66–94, hier S. 78, Abb. 25.11; mehrere Schaftdornspitzen gibt es zudem vom thüringischen hoch- bis spätmittelalterlichen Herrensitz Gommerstedt, Ilm- Kreis: Wolfgang Timpel, Gommerstedt – ein mittelalterlicher Herrensitz in Thüringen (Weimarer Monographien zur Ur- und Frühgeschichte, 5), Weimar 1982, hier Abb. 45.7, 10–12. 48 Bernd Zimmermann, Mittelalterliche Geschossspitzen. Kul- turhistorische, archäologische und archäometallurgische Untersuchungen (Schweizer Beiträge zur Kulturgeschichte und Archäologie des Mittelalters, 26), Basel 2000, S. 32–70, zu Wallarmbrüsten S. 26, 47, 51. 49 Vgl. Melhop, Alster (wie Anm. 1), S. 35; Frohböse, Burgen (wie Anm. 1), S. 196; Knorr, Arnesvelde (wie Anm. 1), S. 53, 151; die früher im Stegener Gutshaus verwahrten Objekte sind heute verschollen. Zu Futterkamp: Ingolf Ericsson, Futter- kamp. Untersuchungen mittelalterlicher befestigter Sied- lungen im Kreis Plön, Holstein, T. II: Befunde und Siedlungs- entwicklung (Offa-Bücher, 54), Neumünster 1983, S. 159, Abb. 14.25. 50 Ewart Oakeshott, Records of the medieval sword, Essex 1991. 51 Norbert Goßler, Reiter und Ritter. Formenkunde, Chronolo- gie, Verwendung und gesellschaftliche Bedeutung des mit- telalterlichen Reitzubehörs aus Deutschland (Beiträge zur Burgen und Schlösser 3/2025 167
Felix Biermann und Normen Posselt Ur- und Frühgeschichte Mecklenburg-Vorpommerns, 49), Schwerin 2011, S. 58. tionalen und zeitlichen Bestimmung (Internationale Archäo- logie, 63), Rahden/Westf. 2001, S. 274 f. 52 Goßler, Reiter (wie Anm. 51), S. 91–94. 53 Ebd., S. 23, 68. 54 Vgl. zu Greifswald: Cathrin und Heiko Schäfer, Lederne Mes- ser-, Dolch- und Schwertscheiden aus dem mittelalterlichen Greifswald. In: Bodendenkmalpflege in Mecklenburg-Vor- pommern, Jahrbuch 44, 1996 (1997), S. 261–295, hier vor al- lem S. 262–267; zu Schleswig: Hilke Elisabeth Saggau, Mittel- alterliche Eisenfunde aus Schleswig. Ausgrabung Schild 1971–1975 (Ausgrabungen in Schleswig, Berichte und Studi- en, 14), Neumünster 2000, S. 31–33; zu Funden aus ähnlichem Kontext vom Turmhügel Großer Schlichtenberg bei Futter- kamp, Kr. Plön s. Ericsson, Futterkamp (wie Anm. 49), S. 158, Abb. 13.24. 55 Vgl. Ingo Heindel, Riemen- und Gürtelteile im westslawi- schen Siedlungsgebiet (Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte der Bezirke Rostock, Schwerin und Neubrandenburg, 23), Berlin 1990. 56 Goßler, Reiter (Wie Anm. 51), S. 42, 79. 57 Vgl. Felix Biermann, Archäologische Studien zum Dorf der Ostsiedlungszeit. Die Wüstungen Miltendorf und Damsdorf in Brandenburg und das ländliche Siedlungswesen des 12. bis 15. Jahrhunderts in Ostmitteleuropa (Forschungen zur Archäologie im Land Brandenburg, 12), Wünsdorf 2010, S. 269 f.; Ingolf Ericsson, Vom slawischen Burgwall zum deutschen Gut. Studie zur mittelalterlichen Siedlungsgenese im Raum Futterkamp, Holstein, Lund 1984, Taf. 20.23; Günter Stange, Die mittelalterlichen Pfahlbaureste im Röggeliner See vor Klocksdorf, Kreis Gadebusch. In: Bodendenkmalpfle- ge in Mecklenburg, Jahrbuch 1961 (1962), S. 231–252, hier S. 241, Abb. 161; Jens Ulrich, Ein Blindstempel als Illustrati- on einer Katastrophe – Neue Funde aus der Kemlade von Grammertin, Lkr. Mecklenburgische Seenplatte. In: Archäo- logische Berichte aus Mecklenburg-Vorpommern 20, 2013, S. 87–94, hier S. 89, Abb. 2j. 58 Saggau, Eisenfunde (wie Anm. 54), S. 58 Abb. 62.2–4. 59 Peter Enzenberger, Handwerk im mittelalterlichen Greifs- wald. Ein Beitrag zur Darstellung der Siedlungs- und Pro- duktionsweise in einem spätmittelalterlichen Handwerker- viertel am Übergang vom 13. zum 14. Jahrhundert (Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte Mecklenburg-Vorpommerns, 47), Schwerin 2007, Abb. 52.2; Ulrich, Blindstempel (wie Anm. 57), S. 92, Abb. 5h. 60 Zu Baueisen und Beschlägen aus Schleswig: Saggau, Eisen- funde (wie Anm. 54), S. 45–54. 61 Die Bestimmung der Münze wird Dr. Markus Leukhardt (†) verdankt. Ein älterer Schatzfund des mittleren 15. Jahrhun- derts von der Burgstätte oder aus deren Umgebung hat mit der Existenz der Befestigung nichts mehr zu tun, vgl. dazu Normen Posselt, Ein spätmittelalterlicher Schatzfund der Zeit um 1450 auf Burg Stegen. In: Jahrbuch für den Kreis Stormarn 2024 (2023), S. 51–56. 62 Stefan Krabath, Die hoch- und spätmittelalterlichen Buntme- tallfunde nördlich der Alpen. Eine archäologisch-kunsthis- torische Untersuchung zu ihrer Herstellungstechnik, funk- 63 Max Hasse, Neues Hausgerät, neue Häuser, neue Kleider. Eine Betrachtung der städtischen Kultur im 13. und 14. Jahrhundert sowie ein Katalog der metallenen Hausgeräte. In: Zeitschrift für Archäologie des Mittelalters 7, 1979, S. 7–83, hier S. 33; Jörgen Bracker (Hrsg.), Die Hanse. Lebens- wirklichkeit und Mythos II. Ausstellungskatalog, Hamburg 1989, S. 291 f.; Ralf Jaitner/Dirk Schumann, Zinngefäße und Messinggeschirr. In: Kulturhistorisches Museum Prenzlau, Prenzlau 1999, S. 105–106. 64 Vgl. dazu u. a. Werner Neugebauer, Typen mittelalterlichen Holzgeschirrs aus Lübeck. In: Frühe Burgen und Städte. Beiträge zur Burgen- und Stadtkernforschung (Schriften der Sektion für Vor- und Frühgeschichte, 2), Berlin 1954, S. 174– 190, hier S. 181–183; Enzenberger, Handwerk (wie Anm. 59), S. 62; zu entsprechenden Gefäßen aus niederadeligem Kon- text von der Kemlade Travenhorst: Joachim Kühl, Von der Burg zum Herrenhaus – unter besonderer Berücksichtigung der Kemlade Travenhorst, Kreis Segeberg. In: Heimatkund- liches Jahrbuch für den Kreis Segeberg 54, 2008, S. 12–59, hier S. 35 f. Aus Schleswig-Holstein zudem Ingolf Ericsson, Futterkamp. Untersuchungen mittelalterlicher befestigter Siedlungen im Kreis Plön, Holstein I. Funde (Offa-Bücher, 47), Neumünster 1981, S. 129 f., Abb. 45.1, 2, Abb. 46.1–4; zu Brandenburg: Felix Biermann/Normen Posselt, Burgen vom Typ Motte zwischen Altmark und Niederschlesien. Archäo- logische Forschungen zum hoch- und spätmittelalterlichen Befestigungswesen (Studien zur Archäologie Europas, 35), Bonn 2022, S. 253, 258, Abb. 8.40, 46. 65 Melhop, Alster (wie Anm. 1), S. 35 (Zitat). 66 Frank Wietrzichowski, Slawische Steinschleudern aus Meck- lenburg-Vorpommern. Ein Beitrag zur Bewaffnung der Nord- westslawen. In: Archäologische Berichte aus Mecklenburg- Vorpommern 19, 2012, S. 99–103; Thomas Bitterli-Waldvogel, Feste und flüssige Kampfmittel zur Verteidigung einer Burg – ein Blick in das Arsenal der Möglichkeiten. In: Joa- chim Zeune (Hrsg.), Die umkämpfte Burg. Studien zur Effizi- enz der Wehrelemente (Veröffentlichungen der Deutschen Burgenvereinigung, Reihe B: Schriften, Bd. 15), Braubach 2018, S. 85–94, hier S. 87. 67 Frohböse, Burgen (wie Anm. 1), S. 195. 68 Zangel, Castrum (wie Anm. 1), S. 40. 69 Tratziger, Chronica (wie Anm. 17), S. 75 f. 70 Zangel, Castrum (wie Anm. 1), S. 183. 71 Vgl. z. B. Jasper Hjermind, Three Castles at Hald. An Unfini- shed Earthwork and a Forgotten Siege – New archaeological Investigations into the Medieval Castles at Hald. In: Rainer Atzbach/Lars Meldgaard Sass Jensen/Leif Plith Lauritsen (eds.), Castles at War (Castles of the North, 1), Bonn 2015, S. 147–172; Leif Plith Lauritsen, The Aftermath of a Siege – The Castle and its Surroundings After a Siege. Based upon Local Assemblages from Lolland-Falster. Ebd., S. 173–186. 72 Lappenberg, Bericht (wie Anm. 23), S. 40. 73 Zangel, Castrum (wie Anm. 1), S. 103 (Zitat), siehe auch S. 278, 538. 168 Burgen und Schlösser 3/2025
Foreword Foreword (Translation: Mick Swithinbank) This issue focuses on archaeological research into Stegen Castle near Bargfeld-Stegen in Stormarn (Schleswig-Holstein), devoting three articles to the subject: Normen Posselt and I myself analyse the excavations performed in 2019 in the context of the rich historical tradition. Jens Tronicke and Erika Lück present the findings from geophysical analy- ses. Günther Bock looks at the castle and its docu- mented lord, the squire Johann Hummersbutle (Hummersbüttel), in the context of the history of the country in the 14th century, which was marked by dramatic developments. The three articles con- stitute the primary publication about the research in Stegen, only preliminary reports having been published previously. They therefore also include the documentation on the excavations in the form of catalogues of findings, lists and numerous pho- tographs, plans and other drawings. It is relatively uncommon for an issue of “Burgen und Schlösser” to be focused on just one location. In this case, however, the approach is justified by the archaeological and historical relevance of Ste- gen and research into it and by what it adds to our knowledge of castles in general. Stegen Castle is basically a motte castle, a fortification built on an artificial mound, of a kind which used to be extremely important in medieval castle-building. Although there were many thousands of them, in recent times they have become overshadowed by other types of castle: those whose high stone walls and towers readily make an impression. The poten- tial of the in many cases rather unassuming mottes becomes apparent only with the aid of archaeolog- ical research. In Stegen, this casts an instructive light on a type of fortification which was typical of the castles of the lower nobility between the 11th/12th and 14th/15th centuries. However, Stegen Castle is not at all typical of the genre, as it com- prises five artificial – or artificially altered – mounds covering the enormous total area of 190 x 120 m. The castle is remarkable, in particular, on account of its colourful history: Johann Hummersbutle was a prominent protagonist in a period that was marked by conflicts between rulers and the lower nobility. At times he served the rulers of the region, the counts of Holstein, whereas at other times he was in conflict with them. He enjoyed good rela- tions with the King of Denmark, quarrelled with the nearby Hanseatic town of Hamburg and suc- ceeded in bringing together the divergent interests of Stormarn’s lower nobility in a kind of clan capa- ble of conducting feuds. This colourful, albeit only fleetingly documented, personality has occasional- ly been described as a robber baron, but that undoubtedly involves rather too many assump- tions. At all events, in building his impressive cas- tle with its powerful brick tower, he made a strong symbolic statement about his status, which was bound to provoke adversaries. In 1347 the situation escalated, as the city of Hamburg and the counts of Holstein undertook a major siege of the castle. Although the castle withstood it, the squire subse- quently had to leave the country and the castle was demolished. Archaeological finds confirm the vio- lent fate of the edifice – although this had in various respects been called into question by some recent historians – by revealing destruction layers and numerous crossbow projectiles, as well as two earthworks which are thought to have been creat- ed for purposes of the siege. This possesses gener- al relevance for the castle’s significance as a power symbol, as a defensive structure and as an instru- ment of power struggles backed by the threat of military force, with implications for the assessment of the reliability of traditions concerning the histo- ry of conflict and rule in the late Middle Ages. In its combination of geophysical analysis, relative- ly small excavations, historical analysis and metal detector surveys, the research project in Stegen shows how it is possible, even with limited resourc- es and while applying methods which respect the historical fabric, to achieve results that shed light on many aspects. This is particularly true of the use of metal detection: two excavations at the cas- tle in 1986 and 1994, in which no equipment of this type was as yet used, failed to reveal any signifi- cant finds of metal objects. It was only with the intensive use of metal detectors in 2019 that mass- es of such finds finally came to light, including the tips of no fewer than 90 crossbow bolts. This clear- ly demonstrates a major step forward in methodol- ogy. It is gratifying that the use of detectorists (mostly volunteers) has now become a firmly estab- lished part of archaeological research into castles. This issue focuses not only on a type of castle that has tended to be relatively neglected by research- ers but also on a region – Stormarn – which hardly has the reputation of being a major location for castles. The University of Kiel recently completed a research project which reassessed this, and now this issue of “Burgen und Schlösser” is making a timely archaeological contribution to the same endeavour. The site of the castle has now been fur- nished with an attractive presentation and, with its charming location at the confluence of the Alter Alster and the Alster, is well worth a visit. The authors and the editorial team wish you an inter- esting read. Felix Biermann Burgen und Schlösser 3/2025 191