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ISSN 0007-6201 Burgen und Schlösser 66. Jahrgang, Heft 4/2025 Inhalt Beiträge Achim H. Schmidt Burg Saffenberg bei Mayschoss im Ahrtal – Schriftquellen und baugeschichtliche Beobachtungen zu ihrer Genese 194 Markus C. Blaich und Annika Werner Die Staufenburg bei Zorge (Harz) – eine Gegenburg der Grafen von Honstein im Umfeld von Kloster Walkenried 208 Hilmar Schwarz Die Wartburg auf Titelblatt und Frontispiz in der Goethezeit 222 Simon Paulus/Markus Jager Die Sammlung Albrecht Haupt in Hannover: Quellenmaterial für die Burgen- und Schlösserforschung 232 Alexander Wiesneth König Ludwigs Schlösser endlich Welterbe 244 Baudenkmale gefährdet – Baudenkmale gerettet Kurt Frein Rheinland-Pfalz: Burg Nassau bald fertig (?) English summaries 249 255 Titelbild: Heidelberg, Schloss. „… Zustand des Ott- Heinrichsbaues mit Angabe der italienischen und vlämischen Theile durch Blau und Gelb“, Zeichnung: Albrecht Haupt (aus: Albrecht Haupt, Zur Baugeschichte des Heidelberger Schlosses, Frankfurt a. M. 1902, Abb. 11, S. 47). Burg Saffenberg, Luft- aufnahme der Oberburg Blickrichtung Nordost (Foto: Achim H. Schmidt, 2024). Burg Staufenburg bei Zorge, Blick von Südwesten in den Graben der Kernburg (Foto: Niedersächsisches Landesamt für Denkmal- pflege, S. Eismann, 2017). Johann Carl Salomo Thon: Schloß Wartburg 1826, um 90° gedrehtes Frontispiz. Entwurf eines Deckenge- mäldes mit allegorischem Götterhimmel, inv. kl D Z 35 (1): 8, [Johann Georg] Roth[?], um 1700, Feder, Pinsel, laviert auf Papier (https://sah.tib.eu/display/ n4770).
Alexander Wiesneth König Ludwigs Schlösser endlich Welterbe Abb. 1. Schloss Neuschwanstein (Foto: Bayerische Schlösserverwaltung, www.kreativ-instinkt.de). Am 12. Juli 2025 nahm das UNESCO-Welterbe- komitee auf seiner 47. Sitzung in Paris die von König Ludwig II. (1845‒1886) geschaffenen Schlös- ser Neuschwanstein, Linderhof mit dem Königs- haus am Schachen und das Neue Schloss Herren- chiemsee in den erlesenen Kreis der UNESCO- Welterbestätten auf. Nach jahrelangen Vorberei- tungen und einigen Hürden war die Freude darüber nicht nur bei den Antragstellern der Bayerischen Schlösserverwaltung und den vielen Unterstützern in Bayern groß. Die weltweite positive Resonanz von Fachleuten und Liebhabern auf diese Meldung war riesig und sie zeigt, dass Ludwigs Traumschlös- ser die Eintragung in die Welterbeliste mehr als verdient haben. Für die meisten Besucher von Schloss Neuschwanstein gehörte Deutschlands berühmteste Märchenburg gedanklich schon lange zum UNESCO-Welterbe und oftmals war das Erstau- nen groß, dass dem (bis jetzt) nicht so war. Allein die Berühmtheit eines Denkmals reicht für die UNESCO aber nicht aus, diesen begehrten Titel zu verleihen. Es bedarf umfangreicher Antragsunter- lagen mit Begründungen und Nachweisen für den außergewöhnlichen universellen Wert und die langfristigen Schutzmaßnahmen zur Erhaltung des Kulturgutes. Wie lange solch ein Nominierungspro- zess dauern kann, welcher Aufwand mittlerweile dahintersteckt und was die Königsschlösser Lud- wigs II. vor anderen Schlössern auszeichnet, soll im Folgenden in aller Kürze aufgezeigt werden. Abb. 2. Das neue UNESCO- Welterbe: Schloss Lin- derhof, das Neue Schloss Herrenchiemsee und das Königshaus auf dem Schachen (Foto: Bayerische Schlösserverwaltung, Maria Scherf/Andrea Gruber). 244 Burgen und Schlösser 4/2025
König Ludwigs Schlösser endlich Welterbe Abb. 3. Schloss Linderhof während der König Ludwig- Nacht am 25. August (Foto: Bayerische Schlösserver- waltung, Andrea Gruber). Die ersten Ideen, die Königsschlösser Ludwigs II. in die Welterbeliste aufzunehmen, gehen bis in die 1990er Jahre zurück, als der damalige Generalkon- servator des Bayerischen Landesamts für Denkmal- pflege, Michael Petzet, die ausufernde touristische Vermarktung in Hohenschwangau kritisierte und dabei anmerkte, dass Schloss Neuschwanstein „mit guten Gründen auch in die Liste des Weltkulturer- bes aufgenommen werden könnte“ (Denkmalpflege Informationen, Ausgabe B, Nr. 105, vom 12. August 1997). Schon kurze Zeit später formierten sich in der bayerischen Landespolitik Unterstützer für die- se Idee, die Königsschlösser Ludwigs II. als serielle Nominierung zum UNESCO-Welterbe vorzuschla- gen. Bevor es aber mit der eigentlichen Antragser- stellung losgehen konnte, mussten zunächst bayern- und dann bundesweite Auswahlverfahren durch- laufen werden, um auf die deutsche Vorschlagsliste (Tentativ-Liste) zu gelangen. 2014 bestätigte die deutsche Kultusministerkonfe- renz der Länder die Welterbewürdigkeit der Königs- schlösser Ludwigs II.: „Die Schlösser verkörpern in weltweit einzigartiger Zuspitzung eine spätroman- tisch-historistische Architekturkonzeption, die auf vielfältige Weise die Kulturepoche des späten 19. Jahrhunderts repräsentiert.“ Der offizielle Nominierungsprozess startete dann 2015 mit der Eintragung in die deutsche Vorschlags- liste zum UNESCO-Welterbe unter dem Arbeitstitel: „From Dreams to Reality – The palaces of King Lud- wig II of Bavaria: Neuschwanstein, Linderhof, Scha- chen and Herrenchiemsee“. Begleitet von Fachta- gungen zur Venusgrotte in Linderhof und vielen Expertengesprächen entstand ein über 400 Seiten starkes Nominierungsdossier mit den Themen Welt- erbewürdigkeit, Erhaltungszustand und Schutz entsprechend den Vorgaben der UNESCO. Dazu erstellte die Bayerische Schlösserverwaltung einen Managementplan für den langfristigen Umgang und den weitreichenden Schutz für das Umfeld des nominierten Gutes, die Königsschlösser Ludwigs II. Die UNESCO fordert für jede Nominierung Schutz- zonen, sogenannte „buffer zones“, ohne die eine Eintragung nicht erfolgreich sein kann. In intensi- ven Abstimmungen und Gesprächen mit den Ge- meinden am Chiemsee, in Ettal, Garmisch-Parten- kirchen und vor allem Schwangau stimmten die betroffenen Anwohner mehrheitlich für die ausge- wiesenen Pufferzonen und letztlich die UNESCO- Nominierung. Am 1. Februar 2024 konnte schließlich der fertige Antrag zur Nominierung der Königsschlösser Lud- wigs II. fristgerecht bei der UNESCO in Paris ein- gereicht werden, und es begann eine intensive, über einjährige Evaluierungsphase durch ICOMOS- International (International Council of Monuments and Sites, die weltweit bedeutendste Denkmalin- stitution) mit zahlreichen Gutachten und Stellung- nahmen. Am 12. Juli 2025 beschloss die UNESCO auf ihrer 47. Sitzung in Paris die Aufnahme der Schlösser Neuschwanstein, Linderhof mit Schachenhaus und Herrenchiemsee in die Welterbeliste nach Kriteri- um iv der Welterbekonvention („an outstanding example of a type of building, architectural or tech- nological ensemble or landscape which illustrates (a) significant stage(s) in human history“): „Con- ceived as places of seclusion, the four castles were built under the meticulous direction of King Lud- wig II. They were designed as total works of art of Burgen und Schlösser 4/2025 245
Alexander Wiesneth remarkable beauty, scale and luxury, and incorpo- rate scenic and theatrical effects.“ Seit ihrer Entstehung faszinieren die Königsschlös- ser Ludwigs II. weltweit die Menschen über alle Kulturgrenzen hinweg. Sie repräsentieren heraus- ragende Kulturphänomene des 19. Jahrhunderts und gehören zu den Höhepunkten historistischer Architektur. Als von König Ludwig II. entscheidend mitgestaltete Gesamtkunstwerke, die hochwertige Kunst und innovative Technik vereinen, unter- scheiden sie sich aber auch deutlich von anderen Schlossbauten dieser Zeit, da sie keine rein reprä- sentative oder politische Funktion haben. Gerade Abb. 4. Spiegelsaal im Neuen Schloss Herrenchiemsee (Foto: Bayerische Schlösser- verwaltung, Achim Bunz). Abb. 5. Schloss Neu- schwanstein von der Marienbrücke aus gesehen (Bayerische Schlösserver- waltung, Martha Feustel). ihre völlig andersartige Nutzung und Intention im Vergleich zu anderen zeitgenössischen historisti- schen Bauten macht die Königsschlösser einzigar- tig und in mancherlei Hinsicht schon modern. Nicht nur Architekten wie Georg von Dollmann oder Julius Hofmann waren für die Königsschlösser tätig, sondern maßgeblich auch Theaterdekorateu- re wie Christian Jank oder Franz von Seitz, die in den Inszenierungskünsten für Bühnenaufführun- gen oder Ausstellungen geschult waren. In Schloss Neuschwanstein (1868‒1892) schuf der König eine „steingewordene“ Inszenierung der von ihm verehrten Opern des Komponisten Richard Wagner. Ähnlich einer 24 Stunden-Theaterauffüh- rung konnte Ludwig II. sich dort in die ihm hoch geschätzte mittelalterliche Sagenwelt versetzen: In seinem Arbeitszimmer und einer daran anschlie- ßenden künstlichen Grotte mit Wasserfall bewegte er sich in der Tannhäusersage, im Wohnzimmer im Thema Lohengrin, im Ankleidezimmer in den Meis- tersingern von Nürnberg, im Schlafzimmer in Opernszenen von Tristan und Isolde oder schließ- lich im Sänger- und Thronsaal in der Legende des Parsifal. Wartburgzitate in Treppenhaus, Sänger- saal und vor allem beim Blick von der Marienbrü- cke auf die Palasfassade von Neuschwanstein waren König Ludwig II. besonders wichtig. Die perfekte Inszenierung von fernen Orten und vergangenen Zeiten war im 19. Jahrhundert in Form von „imaginären Reisebauten“ ein beliebtes und heute zumeist verschwundenes Kulturphänomen, das sich an allen Bauten Ludwigs II. in einzigartiger Weise nachvollziehen lässt. In Schloss Linderhof (1870‒1878) konnte der König von einem französi- schen Schloss aus der Zeit der Bourbonen in weni- 246 Burgen und Schlösser 4/2025
gen Schritten in den Orient des Maurischen Kiosks (Weltausstellung Paris 1867) „reisen“, um sich danach in der Venusgrotte abwechselnd in die Blaue Caprigrotte oder den Hörselberg der Oper Tannhäuser zu versetzen. Abgeschlossen von der Außenwelt und unter strengstem Besuchsverbot für die Öffentlichkeit vereinigte König Ludwig II. im Schlosspark Linderhof alle für ihn wichtigen Themen: den französischen Absolutismus, Richard Wagners Opern und exotische Bauten. Den Höhe- punkt der Illusionskunst stellt sicherlich die Venus- grotte (1875‒1878) dar, in der König Ludwig II. programmartige farbige Beleuchtungseffekte ein- schließlich einer Regenbogenprojektion mit Hilfe elektrischen Lichts erzeugen ließ. Für diesen Zweck wurde oberhalb der Venusgrotte das früheste Elek- trizitätswerk der Welt geschaffen. Die Venusgrotte vereinigt in sich einzigartige Technik, Kunsthand- werk und Inszenierungskunst und erstrahlt nach jahrelanger Restaurierung seit 2025 wieder in neu- em Glanz. Fern von München vor dem Wettersteinmassiv auf der Schachenalpe in 1.800 m Höhe wünschte sich König Ludwig II. ein hölzernes Königshaus (1869‒1872) der besonderen Art. Vom einfach aus- gestatteten Erdgeschoss erreicht man im Oberge- schoss über eine schmale Wendeltreppe ganz über- raschend einen türkischen Saal, der den Besucher direkt in den fernen Orient mitnimmt. Ein plät- schernder Springbrunnen, Räuchergefäße, Pfauen- federn und Buntglasfenster inszenieren hier ein einzigartiges exotisches Ambiente, das als Gesamt- kunstwerk aus Ausstattungskunst, Architektur und einzigartiger Landschaft die Fantasie des Bau- herrn beflügeln und ihn imaginär an ferne Orte führen sollte. Ein Wunsch, den jeder, der den lan- gen, aber lohnenden Aufstieg zu Ludwigs Bergein- samkeit wagt, auch heute noch nachvollziehen kann. Noch bevor König Ludwig II. Schloss Neuschwan- stein erbauen ließ, hatte er die Idee, einen Nachbau von Schloss Versailles zu erschaffen. Anfangs noch als kleiner Pavillon im Park von Schloss Linderhof gedacht, wuchsen die Planungen und die Wünsche des Königs schnell bis über die Größe des Originals hinaus. In der Folge kaufte der König 1873 die Her- reninsel im Chiemsee als geeigneten Bauplatz und ließ dort die Planungen unter seinen Architekten Georg von Dollmann und später Julius Hofmann fortsetzen. Nach der Grundsteinlegung 1878 ent- stand in kürzester Zeit das heutige Neue Schloss Herrenchiemsee, das im Inneren zwei Apparte- ments des Schlosses Versailles nachbildet. Ludwig ließ sich die ihm wichtigen Räumlichkeiten – Para- deschlafzimmer, Gesandtentreppenhaus oder die Spiegelgalerie – auf der Münchner Opernbühne vorvisualisieren und danach entsprechend seiner Vorgaben in Herrenchiemsee bauen. Fast alle Räu- me sind, obwohl daran angelehnt, in vielen Details anders als in Versailles und können als Höhepunk- König Ludwigs Schlösser endlich Welterbe Abb. 6. Die Venusgrotte im Schlosspark Linderhof in blauer Inszenierung und künstlicher Regenbogenpro- jektion (Bayerische Schlös- serverwaltung, Veronika Freudling/Maria Scherf). Abb. 7. Türkischer Saal im Obergeschoss des Königs- hauses auf dem Schachen (Bayerische Schlösser- verwaltung, Veronika Freudling/Maria Scherf). te der Ausstattungskunst und des Kunsthandwerks im 19. Jahrhundert angesehen werden. Als genau aufeinander abgestimmte Raumfolgen inszenieren sie das höfische Leben der französischen Könige Ludwig XIV. und Ludwig XV., wie es sich der bay- erische Bauherr aus unzähligen Recherchen in seiner Gedankenwelt vorstellte. Nur für sich allein und zur Verehrung dieser Zeit und seiner Protago- nisten schuf sich Ludwig II. mit größtem planeri- schen und finanziellen Aufwand diese einzigarti- gen Raumkunstwerke, um in die festliche Herr- schaftszeit der französischen Bourbonen und ihrem gebauten Sinnbild Schloss Versailles quasi real eintauchen zu können. Tragischerweise konnte der König seine Monumentalinszenierung in fertigem Zustand nicht mehr erleben, da er am 9. Juni 1886 entmündigt wurde und wenige Tage später, am 13. Juni, auf mysteriöse Weise im Starnberger See umkam. Die Königsschlösser Ludwigs II. sind, jedes für sich, Gesamtkunstwerke aus der Verschmelzung der einzigartigen Landschaft mit der inszenierten Kunstwelt. Als serielle Nominierung vermitteln sie dem heutigen Besucher außergewöhnliche Einbli- Burgen und Schlösser 4/2025 247
Alexander Wiesneth Abb. 8. Gartenfassade des Neuen Schlosses Herren- chiemsee mit dem Fama- Brunnen im Vordergrund (Foto: Bayerische Schlösser- verwaltung, Achim Bunz). Ab. 9. König Ludwig II. im Kostüm des Großmeisters des Hausritterordens vom Heiligen Georg. Gemälde von Gabriel Schachinger aus dem Jahr 1887 (Foto: Bayerische Schlösserver- waltung, Gunther Schmid). cke in die von Umbrüchen geprägte Zeit des 19. Jahrhunderts, wo Fortschrittsglaube und Sehn- sucht nach dem Vergangenen allgegenwärtig waren. Die lange Zeit von der kunstwissenschaft- lichen Fachwelt kritisch und als Kitsch betrachte- ten Schöpfungen König Ludwigs II. erlangten nun endlich mit der Eintragung in die Welterbeliste durch die UNESCO die ihnen gebührende Wert- schätzung. Diese weltweite Anerkennung durch die höchste Instanz für Kulturdenkmäler haben die Königsschlösser und damit auch ihr Schöpfer, König Ludwig II., mehr als verdient. Literatur Wiesneth, Alexander: „Reisen“ in vergangene Zeiten und zu fernen Orten – Die Königsschlösser Ludwigs II. auf dem Weg zum UNESCO-Welterbe. In: LÜBBERS, Bernhard; SPANGEN- BERG, Marcus: Traumschlösser? Die Bauten Ludwigs II. als Tourismus- und Werbeobjekte. Kataloge und Schriften der Staatlichen Bibliothek Regensburg, Band 12, Regensburg 2015, S. 35‒75. Wiesneth, Alexander: Die Königsschlösser Ludwigs II. von Bayern und ihr außergewöhnlicher universeller Wert. In: LANDESHAUPTSTADT SCHWERIN (Hrsg.): 2. Schweriner Welterbetagung 13.–14. Oktober 2016, Rostock 2017, S. 177– 199. Wiesneth, Alexander (Hrsg.): Die Venusgrotte im Schlosspark Linderhof. Illusionskunst und High Tech im 19. Jahrhundert. Internationale Fachtagung des Deutschen Nationalkomitees von ICOMOS in Zusammenarbeit mit der Bayerischen Ver- waltung der Staatlichen Schlösser, Gärten und Seen, Mün- chen, 11. bis 13. Oktober 2017 (Hefte des Deutschen Natio- nalkomitees, 70), Berlin 2019. Wiesneth, Alexander: Die Königsschlösser Ludwigs II. und die Idee vom UNESCO-Welterbe. in: Ackermann, Astrid und Claudia Schönfeld (Red.): Die Thüringische Residenzenland- schaft auf dem Weg zum Welterbe. Der erste Schritt zur deutschen Kandidatenliste (Berichte der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten, 16), Regensburg 2023, S. 56–75. 248 Burgen und Schlösser 4/2025
Zusammenfassungen Zusammenfassungen Achim H. Schmidt Burg Saffenberg bei Mayschoss im Ahrtal – Schriftquellen und baugeschichtliche Beobachtungen zu ihrer Genese Der Aufsatz behandelt die Geschichte und Bauent- wicklung der Burg Saffenberg bei Mayschoss im Ahrtal. Die Burg wurde erstmals 1081 erwähnt und spielte im Mittelalter eine wichtige Rolle als Reichs- und Adelsburg. Beeindruckend ist ihre geografi- sche Lage auf einem von der Ahr umflossenen Felsen; der Ort war bereits in römischer Zeit besie- delt. Anhand zahlreicher Urkunden und Schrift- quellen verfolgt Achim Schmidt die wechselnden Besitzverhältnisse zwischen den Grafen von Saf- fenberg, Sayn, Kleve, Virneburg und Manderscheid. Detailliert untersucht wird die bauliche Entwick- lung der Anlage, die aus Oberburg, Unterburg, Vor- burg und Vorwerk bestand und im Laufe der Jahr- hunderte mehrfach umgestaltet wurde. Ein beson- deres Augenmerk gilt den archäologischen Funden und den historischen Darstellungen der Burg, ins- besondere den Zeichnungen von Baudissin (1633) und Roidkin (um 1725). Die Burg Saffenberg wurde im Dreißigjährigen und im Spanischen Erbfolge- krieg schwer beschädigt und 1704 endgültig zer- stört. Seit den 1990er Jahren bemüht sich ein För- derverein um die Sicherung und Erforschung der Ruine, unterstützt durch Arbeiten der Landesar- chäologie Koblenz. Trotz ihres ruinösen Zustands ist die Saffenberg ein wichtiges Zeugnis der mittel- alterlichen Burgenlandschaft des Ahrtals. Der Auf- satz verdeutlicht, wie historische Quellen, Bauana- lysen und moderne Grabungen gemeinsam helfen, die Genese und Bedeutung dieser Burg umfassend zu verstehen. Markus C. Blaich und Annika Werner Die Staufenburg bei Zorge (Harz) – eine Gegenburg der Grafen von Honstein im Umfeld von Kloster Walkenried Untersucht wird in diesem Beitrag die Entstehung, Nutzung und archäologische Erforschung der im 13. Jahrhundert errichteten Staufenburg im Süd- harz. Im Zentrum steht die Verflechtung politi- scher, territorialer und kirchlicher Interessen zwi- schen den Grafen von Honstein, den Grafen von Clettenberg und dem Zisterzienserkloster Walken- ried. Die Staufenburg wurde 1243 von Dietrich I. von Honstein als Gegenburg gegen die Clettenber- ger errichtet, jedoch auf Grundbesitz des Klosters gebaut und nachträglich gegen Entschädigung legitimiert. Bereits 1253 erwarb Walkenried den Burgberg zurück und ließ die Anlage schleifen, womit ihre Nutzung nach etwa einem Jahrzehnt endete. Analysiert werden die topografischen und bauli- chen Strukturen der Burg auf Grundlage histori- scher Quellen, LiDAR-Scans und moderner Gelän- deaufmaße. Die Staufenburg bestand aus einer zweigliedrigen Anlage mit Kern- und Vorburg, Graben und Ringmauer. Archäologische Untersu- chungen erbrachten über 2000 Keramikfragmente sowie Eisenfunde, die eine Datierung in das 13. Jahrhundert erlauben. Die Keramik, überwiegend südniedersächsischer Herkunft, belegt ein geschlossenes Fundspektrum ohne Hinweise auf eine ältere Vorgängeranlage. Der Aufsatz ordnet die Staufenburg in den Kontext der hochmittelalterlichen Macht- und Besitzkonflik- te im Südharz ein und zeigt, wie sich an ihr das Spannungsverhältnis zwischen weltlicher Herr- schaft und klösterlichem Einfluss verdichtet. Zugleich liefert die archäologische Analyse wich- tige Erkenntnisse zur Keramikentwicklung und materiellen Kultur des Hochmittelalters in Südnie- dersachsen. Insgesamt wird die Staufenburg als ein prägnantes Beispiel für kurzlebige, politisch motivierte Burgenbauten des 13. Jahrhunderts interpretiert. Hilmar Schwarz Die Wartburg auf Titelblatt und Frontispiz in der Goethezeit Der Aufsatz von Hilmar Schwarz untersucht die Darstellungen der Wartburg auf Titelblättern und Frontispizen von Publikationen des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie diese Abbildungen zur Verbreitung des Wartburgbildes und zur Entstehung der Burgenro- mantik beitrugen. Dabei werden die bildlichen Darstellungen in ihren historischen, kunstge- schichtlichen und medialen Kontext eingeordnet. Zunächst wird die zunehmende Bedeutung gedruckter Abbildungen in einer Zeit begrenzter Reisetätigkeit beschrieben. Im Zuge des aufkom- menden Nationalbewusstseins und der Wiederent- deckung des Mittelalters wurde die Wartburg – insbesondere seit dem Wartburgfest 1817 – zu einem nationalen Symbol. Burgen und Schlösser 4/2025 249
Zusammenfassungen Interessant ist die ikonografische Entwicklung der Wartburgdarstellungen: Beginnend mit der Beschreibung des Burgvogts Johann Christoph Kurz (1757), über die von Anton Focke überarbeitete Fassung, bis hin zu den Wartburgführern Johann Salomo Thons, die in vier Auflagen zwischen 1792 und 1826 erschienen und jeweils unterschiedliche Ansichten und Grundrisse der Burg enthielten. Weitere Dar- stellungen stammen von Christian Gotthilf Salz- mann (1787), Johann Gottlieb Kreußler (1818) und zahlreichen Künstlern und Kupferstechern wie Gustav Georg Endtner, Heinrich Hose, Ludwig Heß, Friedrich Roßmäßler u. a. Der Aufsatz zeigt, dass die wechselnden Abbildun- gen nicht nur bauliche Veränderungen widerspie- geln, sondern auch den Wandel der Wahrnehmung der Burg und ihrer historischen Bedeutung doku- mentieren. Durch die Verbreitung im Druck wurde das Bild der Wartburg in das kollektive Gedächtnis eingeprägt und bereitete die Restaurierungsbewe- gung des 19. Jahrhunderts vor. Simon Paulus/Markus Jager Die Sammlung Albrecht Haupt in Hannover: Quellenmaterial für die Burgen- und Schlösserforschung Im Beitrag über die bislang wenig bekannte Samm- lung Albrecht Haupts in Hannover wird die umfangreiche Sammlung des Architekten und Bau- historikers Karl Albrecht Haupt (1852–1932) beleuchtet. Haupt, bekannt für seine Forschungen zur Renaissancearchitektur in Spanien, Portugal und Deutschland, hinterließ eine bedeutende Sammlung historischer Fachliteratur, Druckgrafi- ken und Handzeichnungen. Die Sammlung, die 1901 von der königlichen Hochschule in Hannover erworben wurde, umfasst über 6000 Blätter, dar- unter Reiseskizzen, historische Zeichnungen und Pläne, die zwischen 1500 und 1900 entstanden sind. Seit 2023 ist die Sammlung über ein Online-Portal digital zugänglich. Im Rahmen eines DFG-Projekts wurde der Bestand systematisch erschlossen, wobei der Fokus auf architekturbezogenen Zeich- nungen lag. Sie enthält Werke namhafter Künstler und Architekten aus dem deutschsprachigen und italienischen Raum sowie Entwürfe aus dem ehe- maligen schwedischen Herrschaftsgebiet. Beson- ders hervorzuheben sind Haupts eigenhändige Reiseskizzen, die zwischen 1865 und 1920 entstan- den und über 400 Zeichnungen zu Schlössern, Bur- gen und Herrenhäusern umfassen. Diese Skizzen dokumentieren Baudetails, Gebäudeteile und Inte- rieur, insbesondere aus der Renaissancezeit. Haupts Interesse an diesen Bauten spiegelt sich in seiner Spezialisierung auf die Baukunst der Renais- sance wider. Die Sammlung Haupts ist nicht nur eine bedeutende Quelle für die Burgen- und Schlösserforschung, sondern auch ein einzigartiges Zeugnis der Gedankenwelt eines bürgerlichen Denkmalarchitekten und Bauhistorikers an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Alexander Wiesneth König Ludwigs Schlösser endlich Welterbe Am 12. Juli 2025 wurden die Königsschlösser Lud- wigs II. – Neuschwanstein, Linderhof mit dem Königshaus am Schachen und das Neue Schloss Herrenchiemsee – vom UNESCO-Welterbekomitee in die Welterbeliste aufgenommen. Diese Anerken- nung erfolgte nach einem langjährigen und auf- wendigen Nominierungsprozess, der bereits in den 1990er Jahren angestoßen worden war. Die Schlös- ser repräsentieren eine weltweit einzigartige spät- romantisch-historistische Architekturkonzeption und sind als Gesamtkunstwerke aus Kunst, Archi- tektur und innovativer Technik herausragende Kulturphänomene des 19. Jahrhunderts. Sie zeich- nen sich durch ihre außergewöhnliche Inszenie- rungskunst und die Verbindung von Landschaft und Architektur aus, die die Sehnsucht nach ver- gangenen Zeiten und fernen Orten widerspiegeln. Die Eintragung in die Welterbeliste würdigt die kulturelle Bedeutung dieser Bauwerke und ihres Schöpfers, König Ludwig II., und hebt ihre Einzig- artigkeit hervor. 250 Burgen und Schlösser 4/2025
English summaries English summaries (Mick Swithinbank) Achim H. Schmidt Saffenberg Castle near Mayschoss in the Ahr valley – documentary sources and architectural observations on its genesis The essay considers the history and architectural development of Saffenberg Castle near Mayschoss in the Ahr valley. The castle was first mentioned in 1081 and played an important role as an impe- rial castle and seat of nobility in the Middle Ages. Its geographical location on a rock in the Ahr is impressive; the site was already occupied in Roman times. On the basis of numerous documents and written sources, Achim Schmidt follows its chang- ing ownership between the Counts of Saffenberg, Sayn, Kleve, Virneburg and Manderscheid. A detailed examination is made of the complex’s architectural development. It consisted of an upper castle, a lower castle, an outer bailey and a barbican and was reconfigured a number of times over the centuries. Particular attention is devoted to archae- ological finds and historical representations of the castle, especially the drawings by Baudissin (1633) and Roidkin (around 1725). Saffenberg Castle was badly damaged in the Thirty Years War and the War of the Spanish Succession, and definitively destroyed in 1704. Since the 1990s, a promotional association has been safeguarding and researching the ruin, supported by work by Landesarchäologie Koblenz. Despite its ruinous state, Saffenberg Cas- tle is an important example of the medieval castles in the Ahr valley. The essay demonstrates how a combination of historical sources, analyses of buildings and modern excavations can help to clar- ify the development and significance of this castle. rich I of Honstein in 1243 as a defensive castle against the Clettenbergers, but sited on land belong- ing to the abbey and subsequently legitimised in return for payment. As early as 1253, Walkenried regained possession of the castle mountain and had the complex demolished, so that its use came to end after about one decade. Aspects analysed are the topographical and archi- tectural structures of the castle on the basis of historical sources, LiDAR scans and modern land surveys. Staufenburg Castle consisted of a two-part complex with a main castle and an outer bailey, a moat and a ring wall. Archaeological research has brought to light more than 2 000 ceramic fragments and iron finds, which make it possible to date the complex to the 13th century. The ceramics, predom- inantly originating from southern Lower Saxony, comprise a coherent set of finds and do not indicate the existence of any earlier castle complex. The essay places Staufenburg Castle in the context of conflicts of power and ownership which charac- terised the High Middle Ages in the southern Harz, and shows how it illustrates the tension between worldly rulers and monastic influence. At the same time, the archaeological analysis yields important findings concerning the development of ceramics and material culture in the High Middle Ages in southern Lower Saxony. All in all, Staufenburg Cas- tle is interpreted as a good example of short-lived castle structures built for political reasons in the 13th century. Hilmar Schwarz The Wartburg on title pages and frontispieces in the age of Goethe Markus C. Blaich and Annika Werner Staufenburg Castle near Zorge (Harz mountains) – a defensive castle of the Counts of Honstein in the vicinity of Walkenried Abbey This essay looks at the origins and use of Staufen- burg Castle in the southern Harz mountains, which was built in the 13th century, and at archaeological research into it. The main focus is on the interre- lationships between the political, territorial and ecclesiastical interests of the Counts of Honstein, the Counts of Clettenberg and Walkenried Cister- cian Abbey. Staufenburg Castle was built by Diet- The essay by Hilmar Schwarz examines representa- tions of the Wartburg on title pages and frontispiec- es of publications dating from the late 18th and early 19th centuries. The main question is how these illustrations contributed to the dissemination of the image of the Wartburg and to the romantici- sation of castles. The pictorial representations are placed in their historical, art-history and media context. First, the growing importance of printed illustra- tions at a time of limited travel is described. With the rise of patriotism and the rediscovery of the Middle Ages, the Wartburg became a national sym- bol, particularly after the Wartburg festival in 1817. The iconographic development of representations of the Wartburg is of interest: beginning with the Burgen und Schlösser 4/2025 255
English summaries description by the castellan Johann Christoph Kurz (1757), followed by the revised version produced by Anton Focke, and continuing with the guides to the Wartburg written by Johann Salomo Thon, which were published in four editions between 1792 and 1826 and which each contained different pictures and ground plans of the castle. Further depictions were created by Christian Got- thilf Salzmann (1787), Johann Gottlieb Kreußler (1818) and numerous artists and engravers such as Gustav Georg Endtner, Heinrich Hose, Ludwig Heß, Friedrich Roßmäßler and others. The essay shows that the changing illustrations not only reflected architectural changes but also serve to document changing perceptions of the castle and of its historical importance. As a result of its dis- semination in print, the image of the Wartburg was imprinted in the collective memory, paving the way for the restoration movement of the 19th century. Simon Paulus/Markus Jager The Albrecht Haupt collection in Hano- ver: source material for research into castles and stately homes The essay on the Albrecht Haupt collection in Han- over, which has hitherto remained relatively unknown, looks at the extensive collection assem- bled by the architect and architectural historian Karl Albrecht Haupt (1852–1932). Haupt, who is known for his research into Renaissance architec- ture in Spain, Portugal and Germany, left behind a major collection of historical specialist literature, prints and drawings. The collection, which was acquired by the Royal College in Hanover in 1901, comprises more than 6 000 sheets, including trav- el sketches, historical drawings and plans dating from between 1500 and 1900. Since 2023, the col- lection has been accessible electronically via an online portal. As part of a project sponsored by the DFG (German Research Foundation), the collection has been systematically studied, with a focus on architecture-related drawings. It contains works by famous artists and architects from the Ger- man-speaking and Italian regions and designs from the former areas of Swedish rule. Particular men- tion should be made of Haupt’s own travel sketch- es, which he made between 1865 and 1920 and which include more than 400 drawings of castles and stately homes. These sketches provide docu- mentary evidence of architectural details, parts of buildings and interiors, particularly from the Renaissance. Haupt’s interest in these buildings is reflected in his specialisation in the architecture of that period. Haupt’s collection is not only an important source for research into castles and stately homes but also affords unique insight into the thinking of a middle-class preservationist and architectural historian at the turn of the 19th/20th centuries. Alexander Wiesneth King Ludwig’s castles finally gain world heritage status On 12 July 2025, the UNESCO World Heritage Com- mittee added the royal palaces of King Ludwig II of Bavaria – Neuschwanstein, Linderhof with Schachen, and Herrenchiemsee New Palace – to UNESCO’s World Heritage list. This recognition came after a nomination process spread over many years and involving a great deal of effort, which began as long ago as the 1990s. The palaces represent a late romantic historicist conception of architecture which has no parallel anywhere in the world, and are pre-eminent cultural phenom- ena of the 19th century as Gesamtkunstwerke bringing together art, architecture and innovative technology. They are distinguished by their excep- tional engineering and their combination of land- scape and architecture, which reflected a longing for past times and remote places. The world her- itage listing acknowledges the cultural signifi- cance of these buildings and the man who created them, King Ludwig II, as well as underlining their uniqueness. 256 Burgen und Schlösser 4/2025