Rückblick Exkursion Dessau-Wörlitz 6.- 7.05.2023

Bericht von der Frühjahrs Burgenfahrt der „Deutschen Burgenvereinigung, Landesgruppe Berlin-Brandenburg“, in das Gartenreich Dessau-Wörlitz, Wochenende 6.- 7. Mai 2023

Zum Zielpunkt der ersten Burgenfahrt im Jahr 2023 ist das Gartenreich Dessau-Wörlitz ausersehen worden, das in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts mit  seinem Schloss und Landschaftspark Ausgangspunkt für eine umfassende Landschaftsverschönerung wurde. Das von uns an zwei Tagen besuchte Gartenreich ein  „Spiegel der Weltkulturen“ reflektiert daher vielfach die Bildungsideale der Aufklärung , ist also im besten Sinne eine „Bildungslandschaft“ , die von Anfang an jedermann unentgeltlich offen stand und mit seinen zahlreichen Schlössern in hohem Maße das Interesse der Burgenfreunde fand.

In einem reichhaltigen Reiseprogramm konnten wir uns ausführlich die in die Auenlandschaft der Elbe hineinkomponierten Bauten, Skulpturen , Gedenksteine, mit Ihren zahlreichen Brücken, Gartensitzen, aber auch z.B. der Nachbildung des Vesuvs an der Villa Stein anschauen . Wir hatten aber auch ausreichend Gelegenheit das „Gotische Haus“  - das zu den frühesten und am besten erhaltenen neugotischen Architekturen auf dem europäischen Kontinent  zählt - aber auch Oranienbaum , oder das Schloß Luisium, mit ihren   zahlreichen bedeutenden Kunstwerken - sehen und erleben können. An zwei Tagen nutzten wir so die Chance die berühmten Wörlitzer Anlagen als ein Gesamtkunstwerk und Bildungswerk zu entdecken und uns als Spaziergänger , beim Besuch der Museumsschlösser , oder fahrend auf den Gondeln , in eine  andere Welt zu versetzen,  zu staunen und zu lernen.

Der fulminante Auftakt des ersten Tages war jedoch der ausführliche Besuch des Wörlitzer Schlosses, das nach englischen Vorbildern errichtet eigentlich Landhaus genannt wird, und im März dieses Jahres , also 1773 , das heißt vor genau 250 Jahren,  seine festliche Einweihung feiern konnte. Wir konnten alle Geschosse – in den letzten Jahren sorgfältig restauriert – anschauen und bewundern, einschließlich dem schon im Dachgeschoß verorteten „Palmensaal“ , mit seiner sorgfältig restaurierten Granatapfelhecke  und schließlich auch das  Belvedere,  mit seiner hinreißenden Aussicht über weite Teile der Wörlitzer Anlagen. Nach einem stärkenden kleinen Mittagessen im vormaligen fürstlichen Küchengebäude freuten wir uns dann auf die in Wörlitz eigentlich ganz obligatorische Gondelfahrt, die uns mit den fünf in 40 Jahren entstandenen Wörlitzer Gärten : dem Schlossgarten, Neumarks Garten, Schochs Garten , Weidenheger und den erst zum Ende des 18. Jahrhunderts  entstandenen „Neuen Anlagen“ bekannt machte und uns am Ende dieser  zauberhaften Gondelfahrt unmittelbar am Gotischen Haus aussteigen ließ. Auch das ab 1773 entstandene Gotische Haus wiederspiegelt Reiseeindrücke des Fürsten Franz , die zum Kanal hin orientiert Fassade vermittelt eine Ansicht  der Fassade der Kirche Madonna del Orto  in Venedig und die zum Landschaftspark grüßende neugotische Fassade ist eigentlich eine Kopie des in neugotischen Formen errichteten englischen Landsitzes Sttrawberry Hill, das Fürst Franz, seien Gemahlin Fürstin Luise und sein  Architekt Erdmannsdorf auf ihrer ersten Englandreise im Jahr 1764 erleben und bewundern konnten. Anfangs für die Gärtnerfamilie Johann  Leopold Schoch als Wohnort errichtet, wurde das Gotische Haus später zum privaten Refugium des Fürsten Franz, der hier mit der Gärtners Tochter Luise Schoch, und den drei gemeinsamen Kindern lebte.

Den Abend beschloss dann schließlich ein festliches Abendessen im besonders angenehmen „Hotel zum Stein“ , bis schließlich alle leicht ermüdet zu Bett gingen und man sich auf den zweiten Tag im Gartenreich freute. Der Tag begann mit einer Führung auf dem „Wunderfelsen“ von Wörlitz mit Insel Stein und Villa Hamilton, die gemeinsam mit Amphitheater 1788 – 1784 im Auftrag von Fürst Franz  als  Reiseerinnerung nach  dem Besuch von Neapel entstanden sind. Die Villa Hamilton gilt als  Freundschaftsmonument für den britischen Diplomaten, Antikensammler und Geologen  Sir William Hamilton den der Fürst 1766 in Neapel kennen gelernt hatte und die gemeinsam auf den Vesuv gestiegen waren.

Im Lauf des Vormittags schloss sich dann eine gründliche Besichtigung von Schloß Oranienbaum an, ein „kleines Stück Holland“ , das sich die Urgroßeltern von Fürst Franz , Johann Georg II von Anhalt-Dessau und seine  Frau Henriette Catharina von Nassau-Oranien ab 1683 , durch den bekannten Niederländischen Architekten Cornelis Ryckwaert als Sommersitz errichten ließen. Es ist eines von vier nach dem Haus Oranien benannten Schlössern in Deutschland , die für die vier Schwestern , Töchter des niederländischen Statthalters Friedrich Heinrich Fürst von Oranien – Nassau und seiner Gemahlin Amalie zu Solms-Braunfels errichtet wurden.

Nach dem Tod von Johann  Georg II  1693 wählte seine  niederländische Frau Oranienbaum zu ihrem Witwensitz und lebte dort bis zu ihrem Tod im Jahr 1708. Wir konnten das seit langem  in Restaurierung befindliche Schloss glücklicherweise gründlich besichtigen und waren erstaunt in vielen Räumen noch den Atem Henriette Catharinas spüren zu können. Eine überaus subtile und den originalen Glanz des 17. Jahrhunderts schonende Restaurierung, z.B. der kostbaren holländischen Ledertapeten, der originalen Dielen, voll stuckierte  Decken, das originale Treppenhaus mit seinen zauberhaften  wiederaufgefundenen Deckenmalereien ,  oder der im Souterrain noch immer mit  Delfter Fliesen ausgestattete sommerliche Speisesaal, vermitteln etwas vom oranischen Reichtum der Töchter des Statthalters, aber auch dem hohen künstlerischen Anspruch. Die Republik der Vereinigten Niederlande erlebten in jener Zeit eine  politische, wirtschaftliche  und kulturelle Blüte , ein „Goldenes  Jahrhundert“ , das allen vier Töchtern des Statthalters eine damals vielbewunderte  Mitgift  , die sog. “Oranische Erbschaft“ einbrachte. Hiervon berichten bis heute zahlreiche Gemälde flämischer und holländischer Malerei mit ihren großen Meistern wie Jan Brueghel, Peter Paul Rubens, Jacob Jordaens,  Anthonis van  Dyck, oder Gerard van Honthorst in den Schlössern im  Gartenreich Dessau-Wörlitz.

Nach einem erfrischenden Mittagessen, noch in Oranienbaum, lockte dann die Besichtigung eines weiteren Schlosses, Schloß Luisium – genannt nach der Frau des Fürsten Franz von Anhalt-Dessau, Prinzessin Luise Henriette  Wilhelmine von Brandenburg-Schwedt, die Fürst Franz 1767 auf Betreiben  Friedrichs II heiratete, und der er 1774 dieses einzigartige Klassizistische Landhaus geschenkt hatte. Das eigentlich schlichte, jedoch in der Innenausstattung überaus  kostbare und  wohlproportionierte Schloß setzte der Architekt Erdmannsdorf auf eine kleine  Anhöhe, um es vor dem immer wieder drohenden Hochwasser der Mulde und Elbe sicher  und zugleich weithin  sichtbar zu machen. Vom Schloß aus gehen weite und wichtige Sichtachsen in die Tiefe der Elb-Auen Landschaft mit ihren Uralt-Eichen – ursprünglich auch alte Jagdschneisen -  die schließlich im großen eingezäunten Tiergarten vor dem Schloß münden. Das Schloß Luisium war mithin ein fulminanter Abschluss einer Reise  in eine einzigartige Kulturlandschaft, die in der Tat auch im deutschsprachigen Raum  bis heute einzigartig ist und trotz der  Katastrophen des 20. Jahrhunderts, aber auch  einer sehr frühen Stiftung der fürstlichen Familie Sachsen-Anhalt,  mit einer noch immer überwältigenden originalen Ausstattung überzeugt.

Mit der von allen freudig erwarteten Kaffeetafel – unmittelbar neben unserem wartenden Bus angerichtet – sollten dann zwei eigentlich märchenhafte Tage im Gartenreich Dessau-Wörlitz ihr Ende finden und zum Bedauern aller Burgenfreunde wenig später die Heimreise nach Berlin angetreten werden.

Dr. Ing. Klaus -Henning von Krosigk                                                   Berlin, im Mai 2023