Aggstein (A)


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Vorbemerkung: Heute diversen Burgbauten anhaftende Benennungen wie „Frauenturm“, „Schmiede“, „Schatzturm“, „Brunnenturm“, „Rosengärtlein“ etc. sind romantisch-fantasievolle Zugaben des 19. Jahrhunderts und entsprechen keineswegs den historischen Funktionen.

Baubeschreibung

Die Burg liegt auf einem 150 m langen, West-Ost orientierten Felsriff aus Sandstein, das an seinen beiden Schmalenden durch hohe Felsköpfe begrenzt wird und nach drei Seiten steil zur Donau abfällt.

Bürgel

Allerdings steigt das Gelände nach Osten derart rasch an, dass es die Burg bereits in kurzer Entfernung beachtlich überhöht und somit in militärstrategischer Hinsicht die Burg extrem gefährdet.
Zu dieser Gefahrenseite hin erhebt sich schildartig der kleinere der beiden Felsköpfe, „Bürgel“ genannt.

Der größere, höhere Felskopf am Westende der Burg trägt den Namen „Stein“. Im Bereich der großen Freifläche vor der Burg lag früher die ausgedehnte, einst durch einen mächtigen Halsgraben geschützte Vorburg, die sich auch um die Südseite der Hauptburg herumzog. Lediglich zwei Wirtschaftsbauten des 16./17. Jhdts. haben sich von ihr erhalten. Der alte Burgweg, heute noch als „Eselssteig“ bezeichnet, stieg an der Nordseite des Burgberges hoch.

Eine im 19. Jhdt. aufgeschüttete Rampe führt heute über den längst verfüllten Halsgraben zum äußeren Burgtor der Hauptburg, das sich in einem 8 m dicken Massivbau öffnet, der alten Ansichten zufolge einen Holzaufbau trug. Das Tor entstand um 1429-36 und ersetzte ein älteres Burgtor an gleicher Stelle. Zeitgleich mit dem Torbau entstand die südlich anschließende Ringmauer, die in weitem Bogen den „Bürgel“ umläuft und mit einem 1531 aufgesetzten Wehrgang mit Maulscharten für Hakenbüchsen abschließt. Gleich hinter dem Tor steht das Torwarthaus (Bauphase V bzw. 1606ff), das heute das Kassenhäuschen mit Burgshop beherbergt.

Der nächste Verteidigungsabschnitt beginnt mit der Rückseite des Torwarthauses, die zu einem um 1300 (Bauphase II) eingefügten zweiten Torwerk gehört.

Blick auf das Haupttor (r.) und die vermauerte Fußgängerpforte (l. hinten). Die Balkenlöcherlinkerhand des Haupttores stützten einst einen hölzernen Steg, der zur Fußgängerpforte führte. In ihnen steckten noch die Stümpfe der alten Balken.

Dieses besaß analog zum 1. Tor ein großes Spitzbogentor und eine kleinere Fußgängerpforte, die im Zuge der Neubefestigung von 1531 vermauert wurde. Die Aufgabe der Pforte ermöglichte den Einbau eines gewölbten Raums mit einem kleinen, 4 m tiefen Felskeller, der aufgrund seiner Zugangsluke („Angstloch“) als Verlies gedeutet wird.

Das 3. bzw. innere Burgtor liegt in einer hakenförmigen Schildmauer von 4-5 m Dicke und 12 m Höhe, die durch eine Wappentafel exakt datiert wird. Ihre Inschrift ist noch immer gut lesbar und besagt, dass Jörg Scheck vom Wald am 12. September 1429 („am Montag nach dem Fest der Geburt Mariens“) bereits mit dem Wiederaufbau der verfallenen Burg begann. Südlich neben dem Tor durchbricht ein älteres Wandfragment der Bauphase I den massiven Mauerblock und bezeugt die vormalige Existenz eines älteren Burgtores an gleicher Stelle.
 

Nach Durchschreiten des 3. Tores erreicht man den zentralen schmalen Burghof, den sog. Mittelhof, der sich zwischen den Felsköpfen des „Bürgel“ und „Stein“ erstreckt. Zu seiner dichten Bebauung gehört eine in den Fuß des „Bürgel“-Felsens eingehauene Zisterne. Die Südseite des Mittelhofes besteht aus einem 50 m langen Saalbau, dessen 23 x 9 m großer Saal nach mehrfachen Überformungen in den Jahren 2004/05 als Festsaal instand gesetzt wurde. Dieser Gebäudetrakt samt Saal bestand bereits in Bauphase I (um 1200). Sein Kellergeschoss wurde in Bauphase III (1429-36) mit Gewölben versehen und um einen Keller nach Westen erweitert.

Blick vom 'Bürgel' über die Mittelburghinweg auf den 'Stein' mit der Hochburg. Links der lange Saalbau, rechts die Dürnitz.

Die imposanten Kellergewölbe mit ihren mächtigen Pfeilern dienen heute als Ausstellungsräume und beherbergen momentan eine amüsant gestaltete Inszenierung der Nibelungensage durch Miniaturmodelle.
An den Saalbau schließt östlich der „Brunnenturm“ an, ein mehreckiger Baukörper, der den Burgbrunnen umfasst. Dieser Bau stammt, gemeinsam mit dem Brunnen und der östlich anschließenden „Schmiede“, erst aus der Bauphase IV (1531). Für Fehldatierungen sorgte lange Zeit das sehr schöne Renaissancefenster in seiner Hofwand, da es lediglich eine ortsfremde Zutat aus der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts darstellt.

Das nach Osten anschließende eingeschossige, gewölbte Gebäude der „Schmiede“ ist tatsächlich ein Backhaus, das zeitgleich mit dem Brunnenturm entstand. In seinem Inneren hat sich noch der Backofen erhalten, der zugleich die beiden kleinen Räume beheizte. Dem Saalbau liegt die Burgküche mit ihrem gewaltigen, fünfeckigen Pyramidenschlot gegenüber. Sie entstand zeitgleich mit der Nordmauer in Bauphase III und konnte ihre originale Zweiteilung in einen hinteren Spül- und Kochraum mit Spülstein und einen vorderen Raum mit riesiger Herdstelle unter weitem Rauchfang bewahren. Pittoresk ist das alte Servierfenster zum Hof hin. Noch heute erfüllt die Burgküche ihre ursprüngliche Funktion. Neben der Küche liegt die Dürnitz, der ehemalige Aufenthalts- und Speiseraum der Burgbesatzung, seit ihrer Instandsetzung im Jahr 1922 die Gaststube der Burgwirtschaft. Von den Fenstern des ungewölbten Raums, der separate Türen zur Küche und zum Hof besaß, bietet sich ein großartiger Blick über die Donau und die Wachau. Richtung „Hochburg“ bzw. „Stein“ verengt sich der Hof punktuell auf 4-5 m Breite. Hier enthält die Nordwand ein älteres Ringmauerfragment der Bauphase I.

Nach Osten mündet der Mittelhof am steilen Fels des „Bürgel“.

Dieser trägt noch immer die Fundamente eines stumpf gewinkelten Gebäudes, das bereits in Bauphase I (um 1200) existierte.
Wolf Hubers Zeichnung von 1542 zeigt hier ein zweigeschossiges Festes Haus. Erreicht wurde sein Eingang von Süden über Stege, Leitern und in den Fels gehauene Stufen. Scheck vom Wald versah das Feste Haus in Bauphase III (1429-36) mit einem kleinen Vorwerk, das durch einen Halbschalenturm bewehrt wurde.

Ansicht der Burg im Jahr 1542 von Osten. Lavierte Federzeichnung Wolf Huber
Stein, Frontseite

Die Hochburg auf dem Felskopf „Stein“ beherrscht die gesamte Mittelburg und überblickt die tief unter ihr sich dahinschlängelnde Donau. Ihre hoch aufragende Frontseite ist von einer ungeheuren baulichen Dynamik und Wucht.

Der sich in ihr öffnende Hocheingang mit seiner Zugbrückenblende und dem Wurferker wird von den mächtigen Bauten des Frauenturms und der Burgkapelle flankiert. Zu dem Hocheingang führte ursprünglich eine hölzerne Galerie, die vom Mittelhof entlang der Nordwand aufstieg. Sie endete an der Felswand des Stein, wo ein kurzer Steg bis kurz vor den Hocheingang führte, dann aber im Nichts endete. Erst die herab gelassene Zugbrücke gewährte Zugang zum Burgportal.

Dieser Hocheingang entstand gemeinsam mit der Mittezone in Bauphase III (1429-36), während der „Frauenturm“ einen typischen Wohnturm des 14. Jhdts. repräsentiert. Dieser mächtige Wohnturm ruht mit drei Wänden auf älteren Fundamenten der Bauphase I (um 1200) und besaß anfangs eine etwas größere Ausdehnung nach Westen. Seine heutige Gestalt und Größe erhielt er um 1300 in Bauphase II sowie in Bauphase III (1429-36), als man zwei weitere Geschosse aufsetzte, eine Zweiteilung durch Binnenwände über Flugbögen schuf und neue breite Fensteröffnungen einfügte.

Stein

In Bauphase IV (1531) konzipierte man das Turminnere neu, indem man die Flugbögen vermauerte, neue Binnenwände, Blocktreppen, eine Bohlenstube und mehrere Abtritte einbaute. Von der ehemaligen Beheizbarkeit zeugen Kamine.
Nur wenige Meter neben dem Frauenturm führte vom engen Innenhof des Stein eine Schlupfpforte nach außen auf den Burgfels, der erst weiter unten sehr steil abfällt. Diese Hintertür wurde in Bauphase IV (1531) vermauert, als man hier einen kleinen Gewölbebau errichtete.


Der nördliche Gebäudetrakt, der sich aus Kapelle und Palas zusammensetzt, zeigt hier bis in 6-8 m Höhe älteres blockhaftes fischgrätartiges Mauer-werk der Bauphase I, besaß also fast größengleiche Vorgängerbauten.

Fischgrätartig ('opus spicatum') und blockhaft angeordnetes Mauerwerk am 'Bürgel'

Eine moderne kurze Holztreppe erschließt heute Palas und Kapelle. Die den Hl. Georg und Koloman geweihte Burgkapelle besaß bereits in Bauphase I (um 1200) einen etwas größeren, aber formgleichen Vorgänger mit leicht rechteckigem Langhaus und Rundapside. Ihr Erdgeschoss stammt aus Bauphase II (um 1300), das Oberteil aus der Bauphase III (1429-36), die heutigen Spitzbogenfenster gehören dagegen zur Bauphase IV (1531) – so dass sich jede Bauphase hier manifestierte. Am Triumphbogen war angeblich einst das Datum 1113 aufgemalt, das lange Zeit als Gründungsdatum der Burg galt, aber auf einen Lese- oder Schreibfehler zurückgehen muss, da damals arabische Zahlen bei uns noch nicht gebräuchlich waren.

Kapelle mit Apsis

Langhaus und Apsis wurden erst in Bauphase IV (1531) mit Kreuzrippengewölben versehen, zuvor war die Kapelle flach gedeckt. Parallel zum Einbau der Gewölbe und neuen Fenster erfolgte auch ein Neuverputz des Kapelleninneren, wobei man mehrere noch erhaltene Weihekreuze aufmalte. Interessant sind die beiden hochliegenden Querschlitze in der Westwand, die sich in den 1. Stock des benachbarten Palas öffneten. Sie ließen den Segen des Burgkaplans auch in die angrenzenden Räumlichkeiten schweben und ermöglichten überdies eine akustische Kontrolle der Predigten.

Die „Segensschlitze“ gehörten zum Bauprogramm des Jörg Scheck vom Wald (Bauphase III bzw. 1429-36), dem man wenig Religiösität nachsagt. Das Kapelleninnere wurde 2004 sorgfältig instand gesetzt, die Empore rekonstruiert.


Der Palas erhob sich auf dem höchsten Punkt der Burganlage und gewährte einen grandiosen Rundblick über das gesamte Umland. Seine Fundamente entstammen bereits der Gründungszeit (Bauphase I), sein Erdgeschoss samt Binnenmauer der Bauphase II (um 1300). Sein Obergeschoss wurde in Bauphase III (1429-36) aufgesetzt und enthielt die beiden alten Hocheingänge sowie einen übereck gesetzten Haubenkamin.
Interessant ist eine vermauerte Türöffnung am Nordeck, die außen mit einer wuchtigen, neben dem „Rosengärtlein“ in den Abgrund hineinragenden Konsole korrespondiert. Tür und Konsole gehören folglich zu einem ehemaligen Abtritt, dessen zweite Konsole beim Aufmauern des „Rosengärtleins“ im Weg stand und abgeschlagen werden musste. Demnach entstand das „Rosengärtlein“ erst in Bauphase III (1429-36) durch das Aufmauern einer ursprünglich schmäleren Felsnase.

Der Sage nach erhielt diese winzige Außenplattform ihren Namen „Rosengärtleins“ dadurch, dass der grausame Jörg Scheck vom Walde hier seine stolzesten und trotzigsten Gefangenen gefesselt aussetzte. Diese hübschen „Rosen“ hatten letztlich nur die Wahl zwischen dem langsamen Hungertod oder dem schnellen Freitod. Doch eines seiner Opfer überlebte den Sprung in die Tiefe, berichtete dem Kaiser von Schecks Untaten und führte dessen Truppen auf Schleichwegen ungesehen in die Burg.