Aggstein (A)


Nordostansicht der Burgruine ca. 1845; Stahlstich von W. H. Bartlett
   
   
Besitzgeschichte

Die parallel zur Bauforschung durchgeführten archivalischen Recherchen erbrachten überraschende Neuerkenntnisse, denn weder die Burg selbst noch ihre Erbauer oder Besitzer lassen sich vor 1256, als Perchtold von Achstein als Gefolgsmann der mächtiger Kuenringer genant wird, urkundlich nachweisen. Damit sind alle im Zuge der wildromantischen Inszenierung der Burgruine bewusst bereits im 19. Jahrhundert festgeschriebenen frühen Bau- und Besitznachrichten zur Burg hinfällig. Weder die Edelfreien von Aggsbach-Werde noch die Edelfreien von Aggswald-Gansbach lassen sich im 11. oder 12. Jahrhundert auf Aggstein nachweisen, was nicht verwundert, wurde die Burg doch tatsächlich erst um 1200 erbaut (Bauphase I). Das mittlere Waldviertel befand sich damals in den Händen des bekannten Geschlechts der Kuenringer, die als Initiatoren des Burgneubaus durchaus in Betracht kommen.

Weiterhin fand sich auch keinerlei historischer Beleg dafür, dass die Veste Aggstein anlässlich der beiden Kuenringer-Aufstände 1231 und 1296 durch die österreichischen Herzöge zerstört wurde. Allein die wesentlich jüngere Urkunde von 1429 erwähnt eine gewaltsame Zerstörung aufgrund einer untat, d.h. eines Verbrechens, die sich auch um 1300 am Mauerwerk nachweisen lässt und zur weitgehenden Wiederherstellung der Burg führte (Bauphase II).

Da sowohl die Urkunden als auch die Bautafel die Burg 1429 als „ödes Haus“ und „Burgstall“ bezeichnen, geriet auch diese Wiederherstellung in Verfall. Dieser Verfallsprozess kann nur mit der Gründung der nahe gelegenen Kartause Aggsbach in den 1370er Jahren durch die damaligen Burgbesitzer Heidenreich von Maissau, oberster Schenk und Marschall in Österreich, und seine Gattin Anna zusammenhängen. Da die Kartäuser keine Burgen auf ihren Territorien respektierten, legten sie umgehend die Burg Aggsbach ein und sorgten wohl auch für den Untergang der Burg Aggstein.

1429 verlieh Herzog Albrecht V., später Kaiser Albrecht II., seinem getreuen Kammerdiener Jörg Scheck vom Wald am 12. Juni das öd Haws genant Akstain, das etwenn von untat wegen zerbrochn worden ist und noch also oed ligt, …daz er und sein erben dasselb oed Haws und Purkstal….wider gepawen und gemachen mugen nach iren notdurften …
 

Rekonstruktionszeichnung der Burg um 1436 nach den Vorgaben durch Eduard Reithmeyer. Ansicht von Nordosten; aus Aquarell von Anton Hlavacek 1911

Der Bautafel zufolge begann Scheck exakt drei Monate später mit dem Wiederaufbau der Burgruine (Bauphase III), deren Vollendung er 1436 mit der Stiftung einer ewigen Messe für die Burgkapelle der Hl. Georg und Kolomann abschlossen haben dürfte. 1438 erhielt Scheck „auf ewige Zeiten“ die Donau-Maut verliehen.

Da er seine Privilegien und Rechte offenbar missbrauchte, wurden ihm 1463 seine Güter und Titel samt der Burg gewaltsam abgenommen. Um seinen derben und bösartigen Charakter rankten sich bald schreckliche Erzählungen wie die bereits 1621 überlieferte Sage um sein „Rosengärtlein“. Auch Schecks Nachfolger Ulrich Freiherr von Graveneck verärgerte den Kaiser durch unbotmäßige Zölle und Mauten, woraufhin er die Burg ab 1477 nur noch durch Pfleger und Pächter verwalten ließ.

1529 erlebte die Burg ihre zweite gewaltsame Zerstörung, als marodierende Türkenhaufen sie plünderten und beschädigten. Diese bewog König Ferdinand dazu, zwei Jahre später die Burganlage für 4.000 Gulden – immerhin beträchtliche (= ca. 220.000 €) - nicht nur instand zu setzen, sondern auch wehrtechnisch zu verstärken (Bauphase IV). 1606 verkaufte Kaiser Rudolph II die Burg samt Herrschaft und Maut an die Witwe Freiin Anna von Polheim, die nun in die von ihr zuvor pfandweise gehaltenen Baulichkeiten Geld investierte, um sie langfristig besser nutzen zu können (Bauphase V).
Nach dem 30jährigen Krieg, in dem eine kaiserliche Truppe den Aggstein sicherte, wechselten die Besitzer rasch. Der endgültige bauliche Niedergang setzte ein, als gegen 1765 unter den Herren von Starhemberg die Aggsteiner Herrschaftsverwaltung nach Schönbühel verlagert wurde.
 

Aggstein 1864 - von Reiffenstein

Die schrittweise Demolierung der Burg stoppte Fürst Ludwig von Starhemberg im frühen 19. Jahrhundert, indem er erste Erschließungsmaßnahmen vornahm (Bauphase VI), die sein direkter Nachfolger Graf Franz von Beroldingen fortführte.

Ab 1922 setzten die Grafen Seilern zu Aspang-Schönbühel die Burgruine notdürftig instand, um sie dann 2004-2006 aufwändig zu einer touristischen Attraktion auszubauen. 

 

 
Blick um 1800 vom Hof der Mittelburg nach Osten auf das Wappentor, den Zisternenfels (mitte) und den Brunnenturm (rechts). Dem Brunnenturm fehlt sein großes Renaissance-Fenster. Im Hintergrund der Fels des 'Bürgel'.
   
Historisches Umfeld

Unterhalb der Burgruine existieren noch immer die Ruinen einer zweiten, viel kleineren Burganlage, die 1447 als Nidern Ackstain urkundlich erscheint. Sie wurde offenbar zeitgleich mit der bezeichnet wird und deren letzte Reste auf eine zeitgleiche Entstehung mit der Burg Aggstein um 1200 erbaut. Letztere konnte aufgrund ihrer extremen Höhenlage den Schiffsverkehr auf der Donau und den Straßenverkehr entlang der Donau nicht direkt kontrollieren, geschweige denn sperren – hierfür wurde die untere Burg benötigt. Weiterhin gab es zwei, bereits 1324 erwähnte Blashäuser (Wachthäuser), die wohl Bestandteil der Mautstation waren. Vom wirtschaftlichen Umfeld sind u. a. mehrere Hofstätten, Schankhäuser, eine Mühle, Fischweiden, Baumgärten und Weingärten erwähnt.