Rückblick Exkursion Vorharz 06.-08.10.2023

Herbstexkursion der Landesgruppe Nord
zu Objekten im Vorharz
06. - 08.10.2023

Endlich konnte die Landesgruppe wieder eine mehrtägige Exkursion durchführen und doch führte Corona dazu, daß einige Mitglieder ihre Teilnahme kurzfristig absagen mußten.

So chauffierte unser Mitglied Herr Guratzsch eine relativ kleine Schar von Teilnehmern von Hamburg aus sicher zum ersten Tagesziel, dem Schloß Marienburg.
Marienburg
Schloß Marienburg

Die Fahrzeit wurde mit einigen Erläuterungen zur Geschichte Niedersachsens überbrückt, die eine historische Einordnung der zu besichtigenden Objekte erleichterten.

Wir näherten uns der Marienburg von Süden, so daß wir gleich einen schönen Blick auf das 135 Meter über dem Leinetal gelegene Schloß hatten. Diese von den Erbauern gewollte exponierte Lage über einem aufgelassenen Steinbruch hat jedoch einen gravierenden Nachteil, wie wir wenig später feststellen durften. Nicht nur, daß der Hang bereits in der Vergangenheit durch aufwändige bauliche Maßnahmen gesichert werden mußte, nun war auch der Südflügel wegen drohender Einsturzgefahr kurzfristig für eine Besichtigung der repräsentativen Wohnräume gesperrt worden.

So führten wir eine Außenbesichtigung der 2020 von Prinz Ernst August von Hannover in eine Stiftung überführten Anlage durch. Sie war 1858 - 1869 als Sommerresidenz, Jagdschloß und späterer Witwensitz für Königin Marie erbaut worden, die sie allerdings nur von 1866 - 1867 bewohnte, bevor sie mit ihrer Familie ins Exil gehen mußte.

Geplant war ein Schloß in Form einer gotischen Höhenburg, eingebettet in eine bereits vorhandene Ringwallanlage, maßgeblich geplant von den Architekten C.W.Hase und E.Oppler, der Hases deutschen neugotischen Stil in englische Neogotik umformte.

Nächstes Ziel war Schloß Derneburg, das auf ein 1213 gegründetes Chorherrenstift und späteres Zisterzienserkloster zurückgeht. In der Mitte des 19.Jhdts. wurde es vom Grafen zu Münster im englisch-gotischen Tudorstil umgestaltet. Schloß und Wirtschaftsgebäude dienen heute der Hall Art Foundation als Ausstellungsort zeitgenössischer Kunst. 

Inzwischen hatte sich die Sonne durchgesetzt und beleuchtete das folgende Objekt, Schloß Oelber, zu dem uns Frau von Cramm alle Türen geöffnet hatte. Die ehemalige Wasserburg lag strategische günstig im äußersten südwestlichen Zipfel des Fürstentums Braunschweig-Wolfenbüttel, wurde nie umkämpft und blieb daher immer in dessen Besitz. Um 1580 baute Burchard VI. von Cramm die Burg zu einem Renaissanceschloß mit Innenhof und zugeschüttetem  Wassergraben um. Im 19.Jhdt. erfolgten weitere Umbauten, u.a. wurde der runde Treppenturm erhöht, um den Eindruck eines Bergfrieds zu erwecken.
Schloß Oelber
Schloß Oelber

Einen absoluten Kontrast bot das letzte Besichtigungsobjekt des Tages, die Burg Lutter. Während Schloß Oelber über Jahrhunderte im Besitz der Familie von Cramm (zu der auch der berühmte "Tennisbaron" gehörte) ist und vorbildlich erhalten wird, kämpft seit 1980 die Kommune Lutter um den Erhalt der Burg, die sie in ruinösem Zustand übernommen hatte. Die Mitglieder der Kommune machten die Burg zu ihrem Wohn- und Arbeitsplatz und sanieren Stück für Stück die historische Bausubstanz. Mit dem angenehmen Duft einer gerade in Betrieb befindlichen Apfelmosterei in der Nase besichtigten wir die seit dem Jahr 1000 bestehende, 1259 erstmals als Wasserburg urkundlich erwähnte Anlage, die seit dem Dreißigjährigen Krieg als Domäne des Fürstentums Braunschweig-Wolfenbüttel diente. Der ehemalige Bergfried wurde im 17.Jhdt. mit einem dreigeschossigen Gebäude als Amtshaus umbaut, während der vermutlich 1318 errichtete Palas später als Brauhaus genutzt wurde. Beeindruckt von dem Mut und dem Willen, die Burg zu erhalten, verließen wir Burg Lutter in Richtung unseres Quartiers für die nächsten Tage an, dem Klostergut Wöltingerode.
Burg Lutter
Burg Lutter - Bergfried mit Amtshaus

Am folgenden Tag begannen wir unsere Besichtigungen mit dem Besuch des Rittergutes Dorstadt. Der Besitzer, Baron Löbbeke, empfing uns trotz gewisser Terminnot und führte uns dann durch eine sehr ausführliche und informative Besichtigung der weitläufigen Anlage. Das ehemalige Kloster, das im Jahr 1189 gegründet wurde, befand sich im wechselnden Besitz von Braunschweig-Wolfenbüttel und dem Hochstift Hildesheim. Im Jahr 1646 wurde das Kloster durch einen Brand zerstört und bis 1705 wieder aufgebaut. Das Wohnhaus des Propstes im Schlossstil sowie die Konvents- und Wirtschaftsgebäude sind erhalten geblieben. Die Kirche fiel 1919 einem Brand zum Opfer. Seit 1810 ist das in einen Landschaftspark eingebettete Rittergut im Besitz der Familie Löbbeke. Der Hausherr verdeutlichte uns an vielen Beispielen, mit welcher Freude, aber auch welcher Last ein solcher Besitz verbunden ist.

Die geplante Besichtigung der Burgruine Lichtenburg, die einst Heinrich dem Löwen als Bollwerk gegen Kaiser Friedrich I. diente und seit 1552 dem Verfall anheimgefallen ist, konnte aufgrund einer Sperrung der Zufahrtsstraße nicht durchgeführt werden.

Als nächstes Ziel erreichten wir das Schloss und die Burgruine Liebenburg. Von der Burganlage, die ab 1290 errichtet wurde, sind noch einige Türme und Teile der Ringmauer erhalten. Sie schützte das Hochstift Hildesheim gegen die Braunschweiger; im 30-jährigen Krieg war sie 1625 zeitweise das Quartier Wallensteins. Zwischen 1754 und 1760 wurde das heutige Barockschloss vom Hildesheimer Fürstbischof Clemens August errichtet, jedoch aufgrund des 7-jährigen Krieges nicht vollendet. Es ist heute im Besitz des Künstlers Gerd Winner, der uns zusammen mit seiner Frau Gemahlin besonders die Schloßkirche Mariä Verkündigung nahebrachte und uns die Besonderheiten des 1758 geschaffenen Deckenfreskos erläuterte. Es beinhaltet zehn Szenen aus dem Leben des Heiligen Clemens und ist das größte Deckenfresko in Niedersachsen.

Am späteren Nachmittag besichtigten wir unter der Führung von Herrn Moritz, Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der DBV, die Altstadt von Goslar. Herr Moritz verfügt aufgrund seiner jahrzehntelangen, auch archäologischen Arbeit vor Ort über umfangreiches Fachwissen, so könnte man die Stadt mit ihm tagelang erkunden, ohne sich zu langweilen. Wissen zu vermitteln ist eine wichtige Fähigkeit eines guten Führers. Wir bedauerten, dass uns die einbrechende Dämmerung daran erinnerte, in unser Quartier zurückfahren zu müssen.

Ausgehend von der Kaiserpfalz, die leider aufgrund der Verleihung des Goslarer Kaiserringes nicht zugänglich war, gingen wir vorbei an der Domhalle und der 500 Jahre alten Lohmühle zum Marktplatz. Das Siemenshaus, Stammsitz der Familie von Siemens, war ein weiterer Höhepunkt des Rundganges, der an der Klauskapelle vorbei wieder zur Kaiserpfalz führte, an deren Westseite Herr Moritz uns seine umfangreichen archäologischen Grabungen erläuterte.

Der Morgen des Sonntags gehörte der Besichtigung unseres Quartiers, dem ehemaligen Kloster Wöltingerode. 1174 von den Grafen zu Wohldenburg als Mönchskloster gegründet, wurde es bald zu einem Nonnenkloster umgewandelt, das es mit einer hundertjährigen Unterbrechung im 16./17. Jhdt. bis 1809 blieb und danach zum hannoverschen Klostergut wurde. Die Klosterkirche besteht aus zwei Teilen, einer romanischen kreuzförmigen Basilika (12./13.Jhdt.) und einem profanierten Teil mit kryptaartiger Unterkirche und gotischer Oberkirche, der Turm stammt aus dem Jahr 1718.

Die anschließende Fahrt nach Clausthal-Zellerfeld wurde genutzt, um die Besonderheiten des UNESCO-Weltkulturerbes "Oberharzer Wasserregal" zu erläutern. Durch das Baumsterben im Oberharz und dessen Folgen ist es nun möglich, eine Fernsicht zu genießen, die vor Jahren noch unmöglich war. So kann man beispielsweise den großen Harz-Aquädukt ( Sperberhaier Damm) ungehindert betrachten.

In Clausthal-Zellerfeld führte uns Frau Austen auf etwas ungewöhnlichen Wegen durch die Marktkirche zum Heiligen Geist. Wir zwängten uns durch den Glockenturm auf die Orgelempore und hatten von dort einen freien Blick in den Innenraum dieser ab 1637 errichteten größten Holzkirche Deutschlands. Wie schon bei unserem Tagesausflug zu den Haubargen auf Eiderstedt wurde uns hier wieder vor Augen geführt, wer Burg- und Schloßbauten finanziert hat. Ohne die reichen Erträge der Harzer Bergbaus wären viele der der vorgestellten Objekte gar nicht erst entstanden. Reiche Bürger haben sich hier ein Denkmal gesetzt, bei dem in den 60er Jahren massive Schäden am Holzbau auftraten. Nach jahrelanger Restaurierung erstrahlt die Marktkirche seit 2006 wieder in ihrer ursprünglichen blauen Farbe.

Am Nachmittag besuchten wir Gut Oldershausen, dessen Besitzer, Baron Oldershausen, uns in der Gutskapelle einen Überblick über die Geschichte des Gutes gab. Der Adelssitz wurde erstmals 1538 von seinem Urahn Adam von Oldershausen errichtet. Ab 1853 entstand ein Neubau, unter anderem nach Vorentwürfen des Architekten C.W. Hase, der uns bereits von der Marienburg bekannt ist. E. Oppler folgte ihm hier und wie dort und ergänzte 1877 Seitenflügel und Terrassenanlage. Eine Besichtigung ist derzeit leider nicht möglich. Nach dem Zweiten Weltkrieg diente das Schloss als Unterkunft für Flüchtlinge, Lungenheilstätte und Einrichtung für Kinder mit Einschränkungen. Das Gebäude wurde 1974 von der Familie verkauft und steht seit 1986 leer. Heute ist es ein beliebtes Ziel für unerlaubte Besuche, da es zu den sogenannten 'Lost Places' gehört.

Der Klosterhügel Brunshausen bei Bad Gandersheim bot uns den kulinarischen Abschluss unserer Exkursion bei Kaffee und Kuchen. Hier wurde 852 das Gandersheimer Frauenstift gegründet.

Dem Vorstand der Landesgruppe ist es gelungen, eine interessante Exkursion in eine erstaunlich burgen- und schlösserreiche Gegend Niedersachsens durchzuführen.

Text und Fotos: Detlev Blohm